Zum psychologischen Sinn von Werten und Werte-Diskussionen im wirtschaftlichen Umfeld heute
Vortrag auf der WSG-Tagung ‚Sinn-Bilder-Sinn‘ am 18. September 2021 an der BSP in Berlin
Jens Lönneker (Dipl.Psych.) ist einer der Gründer der rheingold Gruppe. Zusammen mit seiner Frau Ines Imdahl gründete er 2010 den rheingold salon – heute eine der ersten Adressen in der qualitativen Markt-Medienforschung. Hier forscht und berät er national wie international in den Bereichen Grundlagenforschung, Produkt- und Markenentwicklung und Kommunikationsstrategien. Er hat u.a. Beiträge zu den Themenfeldern Ernährung, Medien, öffentliche Meinungsbildung, Sponsoring und Verfassungsmarketing veröffentlicht. Als Lehrbeauftragter bzw. Referent war er u.a. an der Universität der Künste in Berlin, der Business School Berlin (BSB) und der Universität St. Gallen tätig. Jens Lönneker ist Präsident der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V. (G·E·M).
Kontakt: Loenneker@rheingold-salon.de
Auftakt: Sich Zahlen beugen oder Zahlen beugen:
Sinn – Bilder in der Wirtschaft zwischen Festlegung und Rebellion
Lönneker:
Schönen guten Morgen. Jens Lönneker ist mein Name. Der eine oder die eine oder andere, man muss ja heute gendern, kennen mich ja. Aber es gibt Gesichter, die mich nicht kennen, von daher, Jens Lönneker ist mein Name.
Wir sind, glaube ich, nicht so viele Leute, so dass wir das jetzt so zwanghaft machen müssen, dass ich einen Vortrag halte und alle hören erstmal zu und hinterher wird diskutiert. Wenn also zwischendurch spontan der Wunsch besteht, schon einmal in den Austausch zu kommen oder zu kritisieren oder zu loben, dann sollten wir das machen, weil die Anzahl der Leute erlaubt das glaube ich. Ich bewundere Sie, dass Sie es geschafft haben am Samstagmorgen zu so einem Vortrag zu kommen und bin auch sehr dankbar (lachend).
Wie ist es zu diesem Vortrag gekommen? Eigentlich bin ich gebeten worden aus unserer Erfahrung – und Sie wissen, dass wir uns im rheingold salon sehr stark mit morphologisch geprägten Projekten,rund um Themen der Wirtschaft und Medien beschäftigen –bin ich gebeten worden aus dieser Perspektive einen Vortrag zu halten. Und deswegen fließt jetzt hier ein Stück weit natürlich auch eine eigene Lebenserfahrung aus diesem Umfeld ein. Und was mich so ein bisschen, gebe ich zu, so gejuckt hat an der ganzen Geschichte, war zu sagen: Ja, wir werden permanent, also ich werde in meinem Job permanent mit Zahlen konfrontiert. Und dann war da der Titel der Veranstaltung Sinn – Bilder – Sinn. Die Frage war, wo kommt das vielleicht in eine Verbindung? Und wo trifft Zahl auf Sinn oder steckt in den Zahlen Sinn, wie hängt das miteinander zusammen? Und in der grundsätzlichen Ausbildung, die ich einmal in Köln genossen habe, im Rahmen der Morphologischen Psychologie, war zahlengeprägte Psychologie tendenziell immer so etwas wie, ich sag’s mal jetzt flapsig pointiert, ein Feindbild. Das Qualitative wurde dann gerne auch gegen das Quantitative gesetzt, weil es natürlich auch eine gute Möglichkeit war sich abzugrenzen. Dort die Zahl und hier die tendenziell eigentlich immer nicht genügend berücksichtigte und doch irgendwie auf Artikulation drängende Qualität der Phänomene. Und darüber ließ sich dann trefflich natürlich eine eigene Position aufbauen.
Es ist wichtig, da vielleicht noch mal einen persönlichen Background aus der Zeit zu ergänzen: Als ich angefangen habe zu studieren, da bin ich ein Kind der Zeit gewesen. Ich war also von der politischen Haltung/Einstellung sehr links eingestellt, war also tendenziell rebellisch orientiert, und da war mir ein solcher Ansatz, der gegen den ‚Mainstream‘ der Psychologie und der akademischen Wissenschaften ging und sich mehr auf die Qualität als auf die Quantität versteift hatte, sehr sympathisch. Das war das eine.
Das andere: Ich war in meinem ersten Leben Bankkaufmann und habe dort auch in der Anlageberatung gearbeitet. Denn ich wollte in dieser Bank lernen, wie – das war das Stichwor damals – Bonzen mit Geld umgehen. Weil ich ja aus dieser traditionell linken, eher marxistisch geprägten Richtung kam, dachte ich, ich will mir das mal live ansehen. Ich wollte nicht sofort studieren. Ich bin dort, durch die konkrete Lebenserfahrung, aber sehr irritiert worden: Diejenigen, die dort nämlich Geld angelegt hatten – es handelte sich um eine Privatbank mit sehr vermögenden Kunden – schienen mir oft doch gar nicht der Logik des Kapitals zu folgen. Ihr Verhalten bei der Geldanlage hatte oft wenig Rationalität. Ich gebe Ihnen ein vielleicht besonders abstruses Beispiel: Es war die Zeit des NATO-Doppelnachrüstungsbeschlusses. Da gab es einen Kunden, der sagte: „Wenn das nicht unterzeichnet wird, dann verkaufen Sie bitte alle meine Aktien-Engagements rechts des Rheins, weil dann kommt der Russe.“ Und dann standen wir da in diesem Büro und haben eben überlegt: Machen wir das jetzt? Das war ja eine unterschriebene, verbindliche Order, oder halten wir die zurück? Wir haben es letztlich nicht gemacht und der Kunde war am Ende froh, weil der Russe doch nicht kam. Es ist ein Beispiel dafür, wie groß die Irrationalität in Zahlendingen wie der Geldanlage sein kann.
Aber es war auch eine Zeit, in der die Leute plötzlich an so etwas geglaubt haben und sich engagiert haben und andere aber nicht. All das zusammen hat mich am Ende stärker zur Psychologie geführt. Und so sehen Sie, dass zumindest in meiner Vita irgendwo die Zahlen, also die Logik des Kapitals, die marxistische Auffassung von der Objektivität historischer Entwicklungen, der historische Materialismus, die Vorstellung davon, was wahre Werte, Tauschwerte, Gebrauchswerte, dazu gleich mehr, einerseits bedeuten und andererseits gleichzeitig die konkrete Erfahrung, dass vieles von dem, was sich in meiner Lebensrealität zeigte, sich dieser Logik der Zahlen irgendwie gar nicht so beugte oder dass eigentlich die Zahlen, zum Beispiel zu Gunsten vielleicht persönlicher Vorlieben im Bereich der Engagements von Wertpapieren, gebeugt wurden.
So, und jetzt hat sich in der jüngeren Zeit so etwas ereignet, wie dass im konkreten Umfeld, in dem ichmich jetzt bewege, Menschen Dinge äußern wie jetzt vorgestern noch auf einem Kongress. Da hattesich die gesamte Milchwirtschaft versammelt und ein Personalberater sagte mir dann im Gespräch: „Ja, wir haben unglaublich viele ältere verdiente Manager und auch Unternehmer, die wollen sich jetzt alle irgendwie engagieren und was Sinnhaftes machen. Und wir haben gar nicht so viele Projekte für die. Die wollen unbedingt noch irgendwas tun, die haben auch Erfahrung, sind auch coole Leute, es geht gar nicht so um Geld. Die wollen was Sinnhaftes machen.„. Geld, Zahlen einerseits und Sinn andererseits sind hier offenbar in einen Gegensatz geraten.
Und noch eine andere Sache, ein paar Wochen älter: Die Personalverantwortliche von McKinsey schilderte eine Begebenheit, bei der es um junge McKinsey-Berater ging. Sie wissen, dass junge Leute bei McKinsey häufig heftigst schuften müssen. Sie müssen sehr viel arbeiten und für ihre Projekte ordentlich Output liefern und das zu einem gehörigen Stundenaufwand. Sie werden sicherlich gar nicht so schlecht bezahlt, aber eben schon ordentlich „ausgebeutet“, könnte man unter einer anderen Perspektive sagen. McKinsey machte nun die Erfahrung, dass sie Schwierigkeiten hatten,ihren Nachwuchs dazu zu motivieren, in dieser gleichen Art und Weise aktiv zu werden. Und daraufhin hat dann die Personalverantwortliche das ihren Bossen dort geschildert und dann haben die gesagt: „Ja, dann gib denen mehr Geld.“ Weil mehr Geld war etwas, was immer funktioniert hat in der Vergangenheit. Und dann musste die Personalverantwortliche sagen: „Nee, die wollen nicht mehr Geld, die wollen eine andere Form von Leben führen.„ Das haben die McKinsey-Chefs erstmal gar nicht verstanden. Auch hier stellt sich eine Sinn-Frage, die durch eine Veränderung der Zahlen- oder Geldwerte nicht gelöst werden kann.
Also, man merkt einerseits, es gibt an verschiedenen Stellen plötzlich so Brüche mit dem, was klassischer Weise an „Wirtschafts-Werten“ sehr stark an Belohnung, an Erträgen, an Umsatzrenditen orientiert ist und andererseits bzw. gleichzeitig gibt es so kritische Momente, die darauf hinweisen, dass sich da etwas vielleicht neu und anders darstellt. Und dem wollte ich eigentlich im Rahmen dieses Vortrags, den man mir jetzt hier ermöglicht hat, dann nachgehen.
Und deswegen gibt es jetzt erstmal drei Kapitel, in die ich das gerne unterteilen möchte.
Das Erste ist Werte, jetzt im wirtschaftlichen Sinne und Umfeld, und der versteckte Sinn, denn das Ding heißt ja hier Sinn – Bilder – Sinn, der versteckte Sinn in der Unternehmens- und Wirtschafts-realität. Das Zweite ist etwas, was ein bisschen auch noch eine Hommage ist an einen Diskurs, den ich mal mit Wilhelm Salber haben durfte, rundum eine Ausarbeitung. Da stand im Zentrum ‚Sinn entsteht im Übergang‘ und das finde ich jetzt hier in dem Rahmen ganz spannend. Und das Letzte ist, dass wir uns mal damit beschäftigen: Was können wir eigentlich in unserer Arbeit an Ansätzen finden, wo Sinn und Bilder und Sinn sich heute zeigen. Dann würde ich an der Stelle gerne auch Fragen aufwerfen, so dass wir in Diskussion reinkommen, weil die Bilder, so wie sie sich uns zumindest darstellen, existieren ja jetzt auch nicht so isoliert, sondern die verweben sich ineinander: Es gibt Bilder, die dann in andere wieder übergehen, und der Sinn entsteht oft zwischen verschiedenen Bildern, die sozusagen in einer gewissen Parallelität unterwegs sind.
So, ist das OK? Können Sie dem folgen – ja?
Dann fange ich mal an mit den ganz normalen Fragen und Aussagen, die jetzt in so einem Unternehmens-Alltag von mir, wenn wir auf Kunden treffen, ganz normal sind. Also jetzt hier noch malgeprägt von dem Milch-Kongress vorgestern, das mit reingenommen, da sagt jetzt zum Beispiel der Marketing-Verantwortliche vom Unternehmen Bauer, die Joghurt produzieren – viele von Ihnen kennen vermutlich den „Großen Bauer“:
„Der Anteil junger Käufer bei Frucht-Joghurt ist sehr niedrig.“
So. Das steht dann so im Raum und jetzt steht hier – da ist ja eine Zahl dahinter – ein Wert. Also, ein niedriger Score. Der lässt sich vergleichen: Es gibt demgegenüber einen höheren Anteil von älteren Konsumenten. Und jetzt hat man ein Datum, das darauf verweist, dass bei den Jüngeren irgendwie was ist, was man sich angucken sollte. Denn es wäre aus Sicht von Bauer natürlich schön, wenn auch Jüngere mehr Frucht-Joghurt kaufen würden.
Jetzt gibt es aber verschiedene Möglichkeiten damit umzugehen. Man kann natürlich sagen: „Jüngere Leute essen gar keinen Frucht-Joghurt mehr, weil die Milch-Alternativen bevorzugen. Zum Beispielhaferbasierte, mandelbasierte Angebote.“ Oder, weil die einfach Frucht-Joghurt blöd finden, weil die aus der Mode gekommen sind und sie lieber proteinangereicherte Joghurts wollen. Das wären Erklärungen, die den Sinn dieser niedrigen Scores in neuen, anderen Bildern suchen, die Jüngere von Joghurts entwickeln. Aber Marketers denken anders, sie denken in Segmenten. Und dann kommt man zu einer anderen Auffassung: „Wir haben im Frucht-Joghurt-Bereich zu wenig junge Leute, also müssen wir gucken, dass wir mehr junge Leute bekommen im Frucht-Joghurt-Bereich. Wie können wir das erreichen? Mein Unternehmen hat die Aufgabe in all diesen Marktsegmenten präsent zu sein, also müssen wir gucken, dass wir jetzt hier mehr Frucht-Joghurt an junge Leute bringen.“ Die Gefahr besteht also darin, dass die Scores in Richtung von Sinn-Bildern ausgelegt werden, die für das Unternehmen sinnvoll sind – aber unter Umständen nicht aus Sicht der Kunden.
Nehmen wir eine Aufgabenstellung mit einem ähnlichen Verständnis des Marktgeschehens, mit der wir im Moment zu tun haben: Wie bekommt man Leute, die Schokoladenkugeln von einer bestimmten Marke kaufen, dazu zu Ostern auch die Ostereier von dieser Marke zu kaufen? Dabei entstehen Fragen, wie zum Beispiel: „Verwechseln die Leute vielleicht die Kugeln mit den Ostereiern? Wird denen vielleicht gar nicht so klar, dass die Kugeln gar keine Ostereier sind?“. Aus der Distanz wirkt das irgendwie seltsam und auch lustig. Aber wenn man dem näher nachgeht, ist es sehr ernst. Denn es geht um Markt-Volumen, es geht um Karrieren, die dahinterstecken, weil, wenn du Marketer bist in dem Bereich, und du willst Karriere machen, dann musst du diese verdammten Ostereier irgendwie an Mann und Frau kriegen und das Rätsel lösen, warum das nicht so ist. Und du musst Perspektiven aufzeigen können. Die Zahlen werden hier nicht nur in der Unternehmenslogik ausgelegt, sie werden zudem zum Sinnbild für Karriere-Perspektiven.
Wir werden dann geholt als Psychologen, weil da oft eine Not ist, weil ein Teil der Menschen dort merkt: Ja, mit den ganz rationalen Kriterien kriege ich das jetzt hier nicht verstanden und weiter bewegt mit den Ostereiern und den Schokoladenkugeln. Dagegen sieht der eine oder andere imFrucht-Joghurt-Fall die Notwendigkeit noch nicht. Da sind sie noch fest der Überzeugung, dass sie das mit Bordmitteln hinkriegen, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie in zwei oder drei Jahren doch bei dem einen oder anderen aus dieser Runde hier oder bei uns auftauchen.
„Wir müssen unseren NPS verbessern.“
Dann gibt es eine andere Sache, die ganz neue Währung, die Jüngeren von Ihnen werden das kennen: Wir müssen unseren NPS verbessern. Also den Net Promoter Score und das bedeutet imGrunde, dass je moderner, netzaffiner, je online-mäßiger das Geschäft läuft, desto stärker wird darauf geguckt: Inwieweit werde ich online weiterempfohlen? Hier, in einem Berliner Unternehmen, klagtebeispielsweise die leitende Marktforscherin darüber, dass ihre Bosse am liebsten jeden Tag einen neu erhobenen Net Promoter Score hätten, was Schwachsinn ist. Man braucht das nicht jeden Tag neu,und die Schwankungen sagen da auch gar nichts aus, aber man merkt, diese Werte scheinen einen psychologischen Sinn zu haben, sonst würden die da nicht jeden Tag so etwas haben wollen. Und was ist das eigentlich? Der NPS entwickelt hier einen „magischen“ Sinn. Stünde er jeden Tag zur Verfügung, so die Hoffnung, könnte das Unternehmen noch besser gesteuert werden. Lassen Sie uns dem später einmal ein bisschen weiter nachgehen.
„Wir haben ein Problem mit unserer Conversion Rate...“
Dann eine andere Sache, das kennen Sie bestimmt: „Wir haben so eine niedrige Conversion Rate. Also wir haben so eine schöne Website aufgebaut, da gibt es auch so ein Formular oder da gibt es irgendwas, was man hinterlegen kann. Aber irgendwie klappt das nicht, wir bekommen unsere Zielgruppen nicht dazu, bei uns aktiv zu werden.“ Dann gibt es eine typische Manager-Frage, um jetzt, sagen wir mal, so einen Drive in so ein Meeting reinzukriegen: „Was sind eigentlich unsere KPIs?“ Also die Key Performance Indicators? Damit gibst du dich extrem professionell und sagst: „Nee, wir wollen jetzt hier nicht irgendwie rumlabern oder so, wir wollen nicht irgendwie mal so gucken, was könnten unsere Ziele sein, sondern wir sagen: An den KPIs wollen wir uns messen lassen.“. Die Zahlen und Werte können also zum Sinn-Bild für die eigene Professionalität und die eigenen Ambitionen im Unternehmen werden.
„Recommendation Rate und After Sales Marketing korrelieren…“
Und dann gibt es natürlich Beispiele, wo man umgekehrt über die Zahl überzeugen kann, „den Sinn ins Unternehmen zu bekommen“. Ein Beispiel: Vorwerk ist ein Direktvertriebsunternehmen. Wenn die Repräsentant:innen ihren Staubsauger oder ihren Thermomix verkauft haben, sind die weg. Das ist ein Tür-zu-Tür- bzw. Party-Geschäft: Auf Wiedersehen. Stellen Sie sich vor, wenn es jetzt um den Thermomix geht, dass da jetzt jemand im Unternehmen sitzt und der die Aufgabe hat, auch Marketing-Aktivitäten zu entwickeln – also Kundenansprache, Kundendateien pflegen, gezielt auch modernes Marketing über Social Media etc. Und der trifft jetzt auf lauter Leute im Direktvertrieb, die sagen: „Ich habe den verkauft, den Thermomix, alles andere interessiert mich nicht mehr.“ Keine sogenannte After-Sales-Betreuung. Also kein Interesse daran diese Kundenbeziehungen im weiteren Sinne noch groß zu pflegen. Und dann kommt der jetzt an mit seinem Marketing-Anliegen: „Ich brauche aber hier Adressen und ich brauche dies und das.“ Dann sagen die Vertriebsleute zunächst: „Ja, das ist mir doch egal. Weil für mein Business ist das nicht so wichtig, weil ich habe ja hier die direkten persönlichen Kontakte.“ Und jetzt muss der Marketer den Nachweis führen, dass seine Marketing-Aktivität trotzdem wichtig ist für diese Direct Sales People. Und das kann der jetzt zum Beispiel machen, indem er eine Zahl, einen Wert aufwirft. Und dann auch noch beglaubigt, durch eine tolle Universität wie die Stanford University, die dazu dann eben auch Untersuchungen gemacht hat. Indem er sagt: „Ja, wenn du eine gute After-Sales-Betreuung machst, dann ist die RecommendationRate höher. Das heißt, dann wirst du in einem ungleich höheren Maße weiterempfohlen. Und weiterempfohlen bedeutet für dich mehr Business und einfacheres Business.“.Und dann hören die Direct Sales People plötzlich zu. Das heißt, die Zahlen können tatsächlich etwas bewirken. In den Zahlen steckt hier etwas drin, was dann wieder auf Sinn-Bilder einwirkt und neuen Sinn entfalten kann.
Beispiel Thermomix
Und jetzt gehe ich als Beispiel mal auf Thermomix ein, damit es ein bisschen konkret ist, und die Zahlen drücken hier etwas aus. Ich habe hier eine Grafik mal mitgebracht. Sie sehen in der Erläuterung dann links, was das bedeutet. Thermomix hat in 2020 einen Umsatz gemacht von 1,6 Mrd. Euro. Wenn Sie die unteren Zahlen da nehmen, haben die 2008 nur 386 Mio. Euro umgesetzt – was heißt nur? Das ist ganz ordentlich, aber 386 zu 1,6 Mrd. ist ein enormer Sprung. Und wenn Sie dann sehen, dass das Unternehmen Vorwerk insgesamt 3,2 Mrd. Umsatz weltweit macht, dann können Sie sehen, dass der Thermomix 50 % des gesamten Geschäfts verantwortet.
So und jetzt ist es so, die machen alle sieben bis acht Jahre einen neuen Thermomix. Und was jetzt klar wird durch die Zahlen, ist, wenn dieser neue Thermomix floppt, haben die ein richtiges Problem. Und wenn Sie da selber jetzt als Psychologe unterwegs sind und sich die Zahlen da unten noch malangucken, und sehen, dass Vorwerk 12.200 feste Mitarbeiter hat und, dass die über die Handelsvertreter selber noch weltweit sogar fast eine halbe Million Leute mehr oder weniger stark ernähren, dann merken Sie, und das drücken die Zahlen alle aus, wie viele Existenzen und auch Schicksale davon abhängen. Das wird dann in dieser Zahl ausgedrückt. Das bringt sie auf den Punkt, das hält die Zahl fest. Zahlen können also komplexe Sinnzusammenhänge fokussieren.
Und von daher würde ich gerne das erstmal so ausdrücken wollen: Werte, jetzt ausgedrückt in solchen Scores und in wirtschaftlichen Umfeldern, die geben erstmal vielen Leuten Halt und Orientierung. Das ist erstmal etwas, wo Sie wirklich Stabilität, Orientierung, Ausrichtung, etwas Festes bekommen.
Diese Zahlen haben allerdings auch ihre Tücken und ihre Kehrseiten. Da würde ich gerne gleich drauf eingehen, denn die Kategorien dieser Zahlen werden dann plötzlich wie objektive Instanzen genommen. Wie eine Abbildung von Realität, die nicht nur Abbildung von Realität ist, sondern soetwas wie die Objektivität selber. Und dadurch fängst du dann an in solchen Kasten zu denken und das erlaubt dir dann nur noch zu sagen „Ja, ich muss hier gucken, dass der Frucht-Joghurt-Anteil bei jüngeren Leuten steigt.“ Und du denkst nicht mehr „Vielleicht ist das auch mal vorbei mit dem Frucht-Joghurt in der klassischen Form und wir müssen vielleicht ganz andere alternative Segmente aufbauen.“
Oder wie wir es in einem anderen Feld rund um Schokoladenkonsum hatten. Da gibt es eine klassische Studie, die davon spricht, dass es im Schokoladenbereich Leute gibt, die die Schokolade lutschen und welche, die die kauen. Und dann ist man da einmal drin, dann wird das beziffert, wie viele Lutscher, wie viele Kauer gibt es? Und wenn Sie dann mit so einem Fragebogen konfrontiert sind und sagen „Ich weiß nicht genau, wie ich mich einordnen soll.“ Dann werden Sie vom Interviewer gefragt „Was kommt Ihnen denn am Nächsten?“ Und dann sagen Sie vielleicht „Ja, eigentlich kaue ich häufiger“ – und zack, sind Sie da einem Segment zugeordnet. Es gibt klare Zahlen – aber es ist nur eine scheinbare Klarheit.
Wenn man einmal so in diesem sozusagen ‚Segment-Kasten‘ und dem Wirken dahinter liegt, dann denkst du nicht mehr, dass das vielleicht auch Quatsch sein könnte, weil es vielleicht Situationen gibt, wo man mal lutscht und Situationen, wo man mal kaut. Man verliert also eine gewisse Beweglichkeit in der Auslegung der Wirklichkeit und auf die möchte ich dann im Weiteren eingehen. Also, die Zahlen und Werte können im wirtschaftlichen Umfeld für verschiedene Sinn-Bilder stehen. Sie schaffen dabei Halt, Stabilität, Orientierung, Sicherheit, aber sie kasteln auch ein.
Was ist aber eigentlich die Definition von Wert? Es gibt ja Wikipedia – aber auch Lexika-Einträge – die in der Wirtschaft eine gewisse Rolle spielen. Das Gabler Wirtschaftslexikon ist Bestandteil der Ausbildung von vielen Wirtschaftsberufen. Und da steht jetzt, der Wert sei der „Ausdruck der Wichtigkeit eines Gutes, die es für die Befriedigung der subjektiven Bedürfnisse besitzt“. Also „subjektive Bedürfnisse“ haben wir hier. Da versteckt sich plötzlich Psychologie drin.
So, jetzt geht es aber noch mal weiter, „[…] die sich etwa in seinem Nutzen und der betreffenden Präferenzordnung des Wirtschaftssubjektes widerspiegelt.“ Man merkt, dass das ziemlich geschwollenüberlegt ist: Was meint der eigentlich? Aber es ist so, da wird wieder versucht eine gewisse akademische Darstellungsform zu wählen. ‚Präferenzordnung‘, ‚Nutzen‘. Der Nutzen, da müssen wir gleich noch mal drauf eingehen. Dann steht „seine Bereitschaft im Vordergrund, im Zuge des Marktprozesses Ressourcen zur Erlangung bestimmter Güter hinzugeben, so wird im Gegensatz zum Gebrauchswert auch vom Tauschwert gesprochen“. Das kommt dann immer wieder, der Gebrauchswert und der Tauschwert. Da gehe ich gleich noch ein bisschen drauf ein. Gebrauchswert, Tauschwert gibt es schon bei Aristoteles und ist von Karl Marx dann sehr stark noch mal aufgegriffen worden. Da findet sich viel auch Verbindendes für den Vortrag jetzt hier gleich. Und dann wird am Ende immer noch gesagt, dass das aber nur da funktioniert, wo die Güter knapp sind.
Mit der Knappheitsthese bin ich schon in meiner Ausbildung zum Bankkaufmann finster an die Wand gerasselt, weil als mir die Volkswirtschafts-Lehrbeauftragte dann mitteilte ich habe zu lernen, dass auf die Frage „Warum wirtschaften wir?“ die Antwort lautet „Weil Güter knapp sind.“ Und das entsprach so wenig meiner Lebensrealität, dass ich laut lachen musste. Und das hat die persönlich genommen und dann musste ich immer diese Frage beantworten. Und wenn ich die nicht so beantwortet hatte, bekam ich deutliche Punktabzüge. Ich glaube einfach an den Satz nicht. Ich denke, unsere Wirtschafts- und Lebensrealität sagt nicht, dass Güter knapp sind, sondern dass sie sich uns permanent, wenn man so will, anbiedern und dass sie gekauft werden wollen und dass wir in seltensten Fällen mit Knappheit zu tun haben. Aber die Knappheitsthese geistert weiter umher. Es gibt vielleicht Engpässe, aber kaum noch dauerhafte Knappheit.
So, gehen wir weiter. Karl Marx hat einmal in einer Fußnote ausgeführt, dass wir im 17. Jahrhundert noch häufig bei englischen Schriftstellern ‚worth‚ für Gebrauchswert und ‚value‚ für Tauschwert finden. Ganz im Geist einer Sprache, die es liebt, die „unmittelbare Sache germanisch und die reflektierte romanisch auszusprechen“. So, das scheint auf den ersten Blick sehr intellektuell zu sein. Ich finde es aber schon spannend. Warum? Ich glaube, Sie können das langsam erahnen, worauf ich hinaus will:
In dem Wort ‚Wert‘ verbindet sich nämlich der psychologische Moment, das Qualitative,
das, was die Vielfalt, den Reichtum des Lebens meint, verbindet sich mit diesem Versuch, da in eine objektivierende Darstellung von Realität zu kommen.
Und das wird in diesen alten Literaturen gern aufgeteilt in Gebrauchswert und Tauschwert. Und der Karl Marx, der eigentlich ja in seinem großen Werk Das Kapital von der Ware ausgegangen ist, hat das da verspürt. Der hat gesagt: Guck mal, die Schriftsteller, die haben vorher ‚worth‚ für den Wert im Sinne von Unmittelbarkeit verwendet, in der englischen Sprache. Das ist ihm unmittelbarer, also näher. Es ist das, was wir hier aus Sicht der Morphologen in der tiefenpsychologischen Tradition immer mehr mit dem Unmittelbaren und dem Reichtum der Realität zu tun hat. Und je mehr man in diesen akademischen Bereich, den objektivierten Bereich der Zahlen kommt, desto mehr wird das sozusagen eine abstrakte, reflektierte Form der Weltsicht und Perspektive. Und das wird dann gerne, wie er jetzt hier sagt, romanisch ausgedrückt. Oder denken Sie an das Wort ‚Präferenzordnung‘, auch lateinisch oder mit lateinischen Wurzeln. Da steckt dann auch eigentlich schon die Abstraktion, das Abstrakte auch ein Stück weit mit drin.
So, im Wikipedia-Eintrag, es gibt gleich mehr Bilder auch, aber das wollte ich gern einfach hier auch mal ein bisschen loswerden, erlauben Sie mir das, da wird gesagt: „Der Wert, auch ökonomischer Wert, englisch ‚value‚, ist in der Wirtschaftswissenschaft, die sich aus Preisen ergebende quantitativ messbare Bedeutung von Wirtschafts-Objekten, also Güter, Forderungen und Dienstleistungen“ und dann geht das da noch so weiter – was halt dann alles noch mit erfasst wird.
Das Spannende ist, dass sich plötzlich das Wort ‚Bedeutung‘ da reingeschlichen hat. Bedeutung – was ist Bedeutung? Bedeutung ist für sich genommen kein klassischer wirtschaftlicher Terminus, sondern das ist eigentlich ein psychologischer. Das bedeutet uns was, das hat eine Bedeutung. Und hier wird im Grunde darauf aufgesetzt, dass es das irgendwo gibt und, wenn Sie dem weiternachgehen, diesen ganzen Definitionen, finden Sie immer am Ende wieder einen Rekurs auf das Subjektive, auf den Gebrauchswert, auf den Moment, was am Ende dazu führt, dass das jetzt für den Einzelnen vielleicht mehr oder weniger eigenen Wert hat. Alle Versuche, das konsequent allein in die Sphäre des Objektiven zu bringen, sind eigentlich gescheitert. Es gibt dann immer wieder Gegenpositionen, die das wieder aufbrechen.
Aber welche psychologische Funktion haben dann hier eigentlich Zahlen? Dann kann man an dieser Stelle das anführen, was wir vielleicht von anderen Bereichen auch schon wissen: Werte ausgedrückt in Scores sollen Stabilität, Festigkeit und Objektivität vermitteln. Die Welt wird durch Zahlen und Werte logischer und berechenbarer. Und wenn Sie da Lust haben, das ist ein Buch, das ich gerneweiterempfehle, es ist ein sehr verrücktes Buch, aber eines der Besten, das ich in der letzten Zeit gelesen habe, von einem Berliner Klaus Heinrich, der leider schon tot ist. Das Buch heißt Tertium datur. Und das ist eine religionsphilosophische Einführung in die Logik. Das hört sich schon sehr abgedreht an, ist aber super, super spannend. Warum? Weil der Ausdruck ‚tertium datur‚ ein Kampfbegriff, praktisch ein Kampfsatz ist, gegen das, was klassische Logik an der Stelle sagt. Denn die klassische Logik hat als einen Grundsatz ‚tertium non datur‘. In der klassischen Logik wird gesagt: Etwas gibt es oder es gibt es nicht. Und die Sachen dürfen nicht in sich widersprüchlich sein und ein drittes ‚Dazwischen‘ gibt es nicht.
Was passiert, wenn man jetzt einmal die Logik ansieht, als einen Versuch eine Wirklichkeits-Bewältigung zu entwickeln? Heinrich würde das so formulieren. Er sagt: Wir gucken uns die Formen der Logik an und fragen: Was sagt uns das über den Inhalt? Was für eine Lebenserfahrung hat sich da denn zusammengefunden? Dann weist er sehr, sehr schön nach, er ist ein großer Kenner klassischer griechischer Philosophie, dass eben alle Entwicklungen der klassischen griechischenLogik einen Versuch darstellen, Angst, Sorgen, Unberechenbarkeit in dieser Welt in den Griff zu kriegen. Und dass sie dabei einen Weg aufgemacht haben, der versucht Welt-Modelle zu entwickeln, die alle mal Erklärungs- und Bewältigungsversuche von Unsicherheiten und Problemen gewesen sind, die dann aber plötzlich dann wie ein Faktum erschienen, sodass man nicht mehr sagt: Das sind eigentlich Modelle, die wir entwickelt haben, sondern die treten einem dann selber als objektiv gegenüber. Es sind dann auf einmal nicht mehr Modelle von der Welt, sondern es ist scheinbar die objektive Logik der Welt, die sich uns jetzt zeigt und an der man sich in seinem Handeln zwingend orientieren muss.
Pointiert lässt sich also formulieren, dass sich in den Zahlen der Wirtschaft Werte mit einem doppelten Sinn widerspiegeln. In den Werten klingt zum einen die ganze phänomenale Vielfalt des wirtschaftlichen Umfeldes an und zum anderen wird zugleich versucht diese Vielfalt in eine objektvierte, berechenbare Welt zu bringen. Werte lassen sich je nach Dynamik und Geschehen in beide Richtungen auslegen, wie die ausgeführten Beispiele zeigen.
Name:
[Feststellung zu Schokoladen-Lutschern und -Kauern] schwer zu verstehen
Lönneker:
Genau, ja. Da haben wir das genauso, da wird denen das vermittelt – das Dritte gibt es nicht mehr, weil das dann die Unberechenbarkeit der Welt wieder eröffnet – und wir sagen an unserer Stelle dannaus Sicht der Morphologie: Das Dritte gibt es.
Und für mich war das Werk von Heinrich insofern ein Reichtum, weil ich ja mit Begeisterung morphologische Psychologie betreibe und es mir noch mal klar gemacht hat, warum wir auch hier ständig in Widerspruch kommen mit klassischen, akademischen Ansätzen. Ich habe viel im Rahmen der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens mit Professoren zu tun, die aus klassischen Wissenschaften kommen und die mich immer so ein bisschen angucken nach dem Motto: Wie seriös ist das mit der Morphologie eigentlich? Aber doch gleichzeitig auch immer wieder gerne zuhören.
Und man kann aus meiner Sicht sagen, wir stehen als Morphologen ein Stück weit für dieses Dritte, dass es dieses Dritte gibt. Wir bringen dies mit, weil wir so phänomenorientiert sind und weil wir einen Ansatz haben, der Phänomene immer wieder versucht, konzeptionell in Austausch zu bringen mit unseren Auffassungen von Wirklichkeit und bereit ist, diese zu korrigieren. Daher stehen wir für diese Reichhaltigkeit des Dritten. Die klassische akademische Tradition nach der Aufklärung hat eher versucht, genau diese Reichhaltigkeit zu behandeln und zu bearbeiten, indem sie versucht hat, das rational vernünftig aufzubereiten und in rationale, objektivierbare Sätze und Gesetze zu bringen. Und deswegen geraten wir notwendigerweise, glaube ich, auch immer wieder in Reibung mit diesen anderen Ansätzen und so kann es sich vielleicht gegenseitig auch sicherlich befruchten und weiterentwickeln, aber es gerät natürlich auch immer wieder in Kämpfe und Gegensätze.
So, jetzt kämen wir zu dem Kapitel Zwei: Sinn entsteht im Übergang – nämlich mit der Zeit, wie es auch im Tagungsmotto Sinn – Bilder – Sinn anklingt. Ich fand das einen tollen Titel, um ganz ehrlich zu sein, und der Titel, wenn man sich den anguckt, dann ist der ja selber schon ein bisschen wie ein Übergang. Es ist ja nicht nur, dass man ein Wortspiel hat im Sinne ‚Sinnbilder‘ gibt es einerseits und es gibt ‚Bildersinn‘ und das sind wie so Entitäten, die sich da gegenseitig doch mal in einen Austausch bringen, sondern man kann da sagen aus Sinn entstehen Bilder, Bilder machen wieder Sinn. Also,dass sich das sozusagen wie ein Prozess darstellt. Gestern ist sicherlich schon einiges dazu gesagt worden, ich konnte leider gestern nicht teilnehmen, weil einer meiner Söhne Geburtstag hatte und dann bin ich konsequent auch immer bei meinen Kindern, aber ich hätte gerne gehört, was gestern erzählt wurde.
So, und jetzt will ich wieder einmal mehr aus der Praxis erzählen. Beispiele, an denen man merkt, dass eben diese klassischen Versuche mit den logischen, objektivierten Kategorien die Realität festzuhalten, zu stabilisieren und auszurichten, in wirtschaftlichen Umfeldern immer wieder an Grenzen kommen. Und warum das für uns eigentlich Chancen sind da auch anzusetzen.
Hier ist ein sehr schöner Fall. Er stammt von meiner Frau, Ines Imdahl, die das Thema damals stark bearbeitet hat. Trill Vogelfutter, der eine oder andere wird das vielleicht kennen. Das Unternehmen MARS, das auch Tierfutter produziert, ist verantwortlich für die Marke Trill und Trill Vogelfutter kennen die Älteren von Ihnen noch aus der Werbung mit den Jod-S-11-Körnchen, wo dann dem Vogel ein längeres Leben attestiert wird, wenn er eben diese Jod-S-11-Körnchen zu sich nimmt. Und insgesamt ist es so, dass Trill darüber als ein Vogelfutter gilt, das eine besondere Qualität entwickelt.
So, und jetzt hatte das Unternehmen MARS damit zu tun, dass der Hauptkonkurrent Vitakraft im Vogelfutter-Bereich zunehmend erfolgreicher war. Und sie haben alles drangesetzt, sie haben eben geguckt, dass sie Preis-Promotions gemacht haben, sie haben geguckt, dass sie dann noch mal an dem Packaging etwas getan haben, sie haben alles Mögliche gemacht, aber trotzdem gewann Vitakraft immer mehr an Boden. Dann haben sie auch quantitative Messungen vorgenommen und haben gefragt: Wie ist es mit der Qualität hier? Trill hatte nach Ansicht der Befragten immer bessere Qualität. Sie haben weiter gefragt: Haben wir irgendwelche Probleme mit den Preispunkten im Markt? Die Antwort war: Nein, wir liegen sogar zum Teil drunter, sind also günstiger als Vitakraft. Trotzdem wurde immer mehr Vitakraft gekauft. Und dann waren sie sozusagen an dieser Stelle mit diesenklassischen wertorientierten Scores am Ende. Alles war objektiv besser, trotzdem verkauften sie schlechter.
So, wir kommen schnell an diesen Stellen ins Spiel, wenn man da nicht so weiter weiß. Und was bedeutet das vor dem Hintergrund der Analyse eben? In solchen Situationen entsteht dann plötzlich eine Bereitschaft, sich wieder auf die Reichhaltigkeit der Welt einzulassen, in Form von einem Psychologen. Der ist dann vielleicht nicht ganz so, wie irgendein Spinner, der um die Ecke kommt und sagt „Ich weiß, wie man das ändern kann“, sondern der Psychologe, der Tiefenpsychologe, hat dann wenigstens noch die Aura, dass er das halbwegs seriös betreibt. Aber er bringt die Reichhaltigkeit der Welt dann da rein. Daher durften wir das Ganze untersuchen.
Was wir dann festgestellt haben: Die alten Vogelhalter, die haben dann oft den Vogel als Ersatz für einen Hund oder eine Katze gehalten, weil das günstiger war einen solchen Vogel zu halten. Aber das war nicht das Motiv bei den jüngeren Vogelhaltern. Zu den Jüngeren zähle ich auch schon, also die jüngere Generation und die, bei denen war es so, die haben Vögel gekauft, weil die wollten denen was beibringen, sprechen, irgendwelche Mätzchen oder irgendwie sowas. Oder die sollten fröhlich singen oder irgendwas machen. Und die konkrete Erfahrung war aber, dass die meisten Vögel, das nicht getan haben. Die haben eben nicht so gesungen und nicht zu den Zeitpunkten, zu denen die Leute das wollten, oder haben nicht angefangen zu sprechen. Und dann haben die Leute auch zum Teil stundenlang vor den Käfigen gesessen und haben das versucht irgendwie, aber das klappte nicht.
Und dann drehte sich das, das haben uns dann die Vogelhalter gesagt, dann machte der Vogel irgendwann so [Pfiff] und dann haben die Menschen geantwortet. Und dann hat sich irgendwann das Verhältnis gedreht, so dass der Vogel anfängt einen selber zu dressieren. Also, der macht Signale und man wird praktisch jetzt der Vogel-Follower an der Stelle. Und dann war so für viele der Punkt erreicht, wo die keinen Bock mehr hatten auf den Vogel. Und jetzt ist, glaube ich, klar, was der Hintergrund war. Die Leute wollten alles, die wollten halt bloß nicht, dass der noch länger lebt.
[Lachen im Saal]
So waren die ganzen objektiven Parameter, die da waren, überhaupt nicht zielführend um jetzt viel Vogelfutter zu verkaufen, wenn das das Ziel sein sollte.
Also, was haben wir? Wir haben hier jetzt gemeint, dass sich der Sinn im Übergang zeigt, darauf will ich eigentlich hinaus. Man hat nicht einfach Vogelhalter, die immer gleich sind und Vogelfutter kaufen, sondern die Motivation Vögel zu kaufen, verändert sich. Da haben wir einen ersten Übergang. Dann ist das Zweite da drin, dass wir feststellen, dass die in dem Moment, wo sich die Motivation oder der Hintergrund dafür, diese Vögel zu kaufen, sich nicht so weiterentwickelt, wie es die Erwartungen vielleicht waren, verändert sich plötzlich auch die Haltung zu den Vögeln. Und auch die Haltung zu dem, was für ein Vogelfutter präferiert wird. Das macht jeweils Sinn.
Der Sinn hat sich jedoch verändert, mit der Konsequenz einer veränderten Haltung gegenüber diesen Produkten. Also geht es darum, dass wir als Morphologen eigentlich in dem, was wir hier betreiben, dem etwas entgegensetzen, was immer auf Stabilität und Festigkeit und Ordnung hinausgeht. Wir bringen sozusagen das, was an den Dingen im Fluss ist, was sich verwandelt, was sich weiterentwickelt, das bringen wir wieder ins Spiel.
Und das können Sie im Zweifel auch mal, wenn Sie clever genug sind, auch mit Zahlen tun, indem Sie die richtigen Scores an der richtigen Stelle einbringen, um den Wandel zu unterfüttern, aber im Grunde ist das dann dennoch diese Verwandlungsperspektive. Wir sagen aus der Perspektive der Morphologie, wir lassen uns da nicht einfach einkasteln in bestimmte vorgegebene Kategorien, sondern wir lassen den Reichtum der Realität, der Vielfalt möglichst breit zu uns sprechen und haben darüber die Möglichkeit, Dinge wieder im Fluss zu sehen und dort wieder eine Bewegung reinzubringen.
So, und jetzt können Sie sich vorstellen, wenn man jetzt noch mal auf den Thermomix eingeht, wir waren damals, als es diesen alten noch gab, diesen sogenannten Thermomix 31, so heißt er bei denen, der noch so um die 300 Millionen Umsatz gemacht hatte, da waren wir schon so mit drin und konnten dann diesen neuen, der so erfolgreich war, mit begleiten.
So, jetzt haben die einen Produktentwicklungszyklus bei Vorwerk, der so sieben, acht, neun, zehn Jahre dauert und dann muss das Ding auf den Markt und dann muss es funktionieren. Und dann ist es aber sogar noch brutaler, weil die ja selber als Direktvertreiber auch die Händler sind. Die haben jetzt nicht MediaMarkt oder Saturn dahinter, sondern sie verkaufen das ja mit ihren eigenen Leuten. Und wenn die davon nicht überzeugt sind, dann geht das so runter und dann verlieren die auch sofort ihre Direct Sales People, weil die dann weggehen, die gehen woanders hin.
So, die ganzen Zahlen und Werte helfen Ihnen überhaupt nicht dabei, wenn Sie jetzt versuchen einen neuen Thermomix zu bauen. Verstehen Sie? Wie soll der gebaut werden, was soll der haben? Soll der jetzt noch größer sein? Soll der jetzt noch Eis machen können? Ist das wichtig, dass der anbraten kann? Das sind lauter Fragen, die jetzt so im Raum stehen. Muss der weiter digitalisiert werden? Gibt es zukünftig vielleicht eine Küche, wo alles miteinander vernetzt ist? Ist es sinnvoll, vielleicht etwas aufzubauen als Software-Plattform, wo Vorwerk, weil die ja schon sehr weit sind, eine eigene Community haben, dass man die ganze Küche ansteuert und Kooperationspartner sucht? Da helfen Ihnen die ganzen Daten nichts. Und das ist eine Chance, wo wir dann auch tatsächlich wiederum mit dem Reichtum der Realität, der Vielfalt der Phänomene eine Unterstützung liefern können.
So, und jetzt noch mal zurück zum Sinn, dass er sich im Übergang entwickelt. Eines der zentralen Beispiele seinerzeit im Diskurs mit Wilhelm Salber, war das Kaffee-Beispiel. Ich glaube, wenn Sie, das brauchen wir gar nicht zu sehr zu vertiefen, aber wenn Sie sich selber mal vor Augen führen, wo Kaffeetrinken in Deutschland herkommt und wie es sich heute gestaltet, dann kann man, glaube ich,ohne zu übertreiben sagen, dass das nur noch Kaffeetrinken heißt, aber so ziemlich jede einzelne Komponente davon deutlich verändert und modifiziert wurde. Also, wenn Sie in eine sehr alte Zielgruppe gehen und dort, um noch mal jetzt eine kleine Anekdote zu bringen, und dort jetzt vielleicht ihrer Großmutter oder Urgroßmutter eine Senseo-Kaffeemaschine mitbringen oder eine Espresso-Kaffeemaschine, dann ist die normale Reaktion dieser Altersgruppe, dass sie sagen: „Wieso? Ich habe doch noch Freunde. Ich bin doch nicht ganz alleine.“ weil die das nicht als ein spannendes Produkt sehen, wo ich mir ein individuell zubereitbaren Kaffee machen kann, sondern Kaffeetrinken ist für diese Altersgruppe ein Gemeinschaftsakt. Wenn Sie in dieser ganz alten Zielgruppe fragen: Wie ist Kaffeetrinken? Dann zeigen die Ihnen ganz moderne Kaffee-Kannen. Toll designt und so, aber Kaffeekannen. In diese Kaffeekanne wird im Grunde der Kaffee eingefüllt, dann setzt man sich gemeinsam an den Tisch und dann nimmt sich jeder den Kaffee aus der Kanne und individualisiert wird der Kaffee, nachdem er eingeschüttet worden ist. Also dann wird der Zucker oder die Milch reingetan oder was auch immer. Aber doch nicht vorher.
Und wenn Sie diese ältere Gruppierung dann fragen: Wie ist denn das hier mit so einem Kaffee-Vollautomaten? Dann sagen die: „Boah, das ist ja – da muss ich ja immer aufstehen und ich will auch den Gastgeber, wenn ich eine zweite Tasse Kaffee haben will, nicht dazu zwingen da irgendwie noch mal was zusätzlich zu tun.“ Die haben also eine ganz andere Perspektive auf die Kaffeemaschinen.Auch wenn wir uns den Kaffee selber vornehmen, dann sehen Sie, dass die Röstungen heute anders sind, die Bohnen sind anders, die ganze Art und Weise, wie er im Weiteren zubereitet wird. Und jetzt gibt es aber wieder eine neue Bewegung, die den alten Kaffeefilter oder das normale Filtrierenwiederentdeckt. Es gibt neue Versionen wie ganz spezielle japanische Filter. Das Alte kommt wieder,aber mit neuem Sinn. Es ist immer in Bewegung.
Beim Kaffeetrinken zeigten sich so betrachtet zwei verschiedene Sinn-Bilder. Im Übergang erschließt sich dann auch der Bilder-Sinn: Man konnte sagen, dass man sehr schön bei den Älteren noch eine Gemeinschaftskultur herausarbeiten konnte. Dass denen das wichtig war, immer wieder zusammenzukommen und dass man sich im Zweifel in der eigenen Individualität in solchen Kontexten hinten anstellte. Dagegen zeigte sich, je jünger und urbaner es wurde, desto mehr Leute sagten: „Scheiß drauf, ich will meinen Kaffee so haben, wie ich den gern hätte. Und wenn ich eben einen doppelten Espresso Macchiato habe, dann soll der bitte bei mir auf den Tisch. Ich hab‘ keinen Bock auf diese Kaffee-Plörre von meinen Eltern“ Diese Haltung zeigt viel Ego dahinter und natürlich auch viel Ausgestaltung der eigenen Wünsche, Fantasien, Individualitäten, auch das kann man sehen.
Also, auch beim Kaffeetrinken kann man sehen: Die Dinge sind im Fluss, Sinn entsteht im Übergang vom einen zum anderen. Und warum war das Individuelle auf einmal so wichtig? Weil die jüngere Generation sich in eine Gemeinschafts-Realität eingezwängt fühlte in diesen sozialen Gemeinschaftsnormen, in Form von „das macht man so“, und mehr Freiheiten haben wollte. Das hat sich dann eben auch im Kaffeetrinken geäußert.
Während man für die ältere Gruppierung nach dem zweiten Weltkrieg formulieren kann, wenn man verschiedene Studien vielleicht noch hinzunimmt, dafür sind wir noch zu jung gewesen, um das zu selbst zu untermauern, dass diese Nachkriegsgeneration so viel Mist erlebt hat und so viele Vereinzelungen auch im Krieg, dass es denen wichtig war, dass in einer Welt, die wirklich kaputt gehen kann, dass sie in Gemeinschaften leben und überleben können. Von daher war denen das viel wichtiger, als es dann vielleicht uns war.
So, jetzt haben wir auch am Beispiel Kaffee erläutert, dass ‚Sinn‘ in Übergängen entsteht. Jetzt kommen wir zum letzten Kapitel und dann – ist das OK noch so, bin ich noch so halbwegs in der Zeit? OK.
Jetzt würde ich gern wieder zum Ausgangspunkt zurückkommen und würde mal auf etwas eingehen, was wir heute als einen Kampf von verschiedenen Paradigmen mit entsprechenden Werten und Bildern kennen.
Das kann man zum Beispiel sehr schön an den Diskussionen rund um die Tierhaltung sehen, aber auch daran, mit welchen seltsamen Erscheinungsformen diese Diskussionen psychologisch einhergehen. Jetzt hier mal tatsächlich auch ein paar Scores und Werte, in denen sich das dann ausdrückt: Bei den Fleischkäufern im Discount ist es so, dass 51 % Massentierhaltung komplett ablehnt. Wen
n man jetzt wohlwollend wäre, könnte man sagen: Ja, die wissen das einfach nicht, aber das stimmt nicht. Die wissen sehr wohl, dass das Fleisch aus Massentierhaltung kommt, und kaufen es trotzdem. Genauso wie viele Menschen mit Übergewicht sehr wohl wissen, dass die zweite Tüte Chips ihnen nicht dabei hilft Übergewicht abzubauen. Sie wissen es und machen es trotzdem.
Also haben wir hier heute ein Phänomen, was in dem Bereich, in dem ich tätig bin, gerne beschrieben wird als Mind Behaviour Gap. Da gibt es irgendwie eine Vorstellung, was man gerne machen würde, was im Mindset da ist, aber das Verhalten sieht anders aus. Das ist eigentlich viel älter, ist jetzt nur neu eingekleidet. Die katholische Kirche hat da Jahrhunderte mit operiert, dass man sonntags immer bestimmte Dinge tun sollte und dann unter der Woche was anderes macht, und dann kennen Sie das mit der Beichte und dann ging es wieder weiter. Aber solche ambivalenten Phänomene können Sie heute auch in anderen Bereichen finden. Also zum Beispiel in der Automobilbranche. Da achten 82 % angeblich auf spritsparendes Fahren, aber 38 % glauben gleichzeitig, dass man dafür nicht aufs Gas-Geben verzichten muss. Da kann man die Not und den Druck von VW, da irgendwie was zu manipulieren schon verspüren. Aber es ist auch diese Mind Behaviour Gap, wie auch in diesem Fall: 83 % halten die Energiewende für richtig, aber 77 % wollen auf keinen Fall, dass es mehr kostet. Also man merkt, das ist nicht unbedingt rational logisch. Es ist vielleicht psycho-logisch, aber das ist das, womit wir jetzt viel zu tun haben.
Und dann gibt es noch eine andere Sache, die ganz spannend ist in diesem Umfeld und jetzt gehen wir gleich auch mehr auf Sinn und Bilder dahinter ein. 84 % der Deutschen glauben, dass die Anzahl der Lebensmittelskandale zunehmen wird. Und wenn wir dann in Tiefeninterviews danach gefragt haben und gesagt haben: Hui, das ist ja Wahnsinn, stimmen Sie dem auch zu? Dann sagen die meisten ja. Und wenn wir dann fragen: Ja, haben Sie denn Angst beim Lebensmitteleinkauf? Da sagen alle: Wieso? So, als ob man eine ganz seltsame Frage gestellt hätte. Aber wenn es doch wirklich so ist, dass die Skandale zunehmen, müsste ja da auch eine Konsequenz sein. Die wird aber nicht verspürt. Was ist also dahinter?
Wir haben eigentlich im Moment einen Kampf, so könnte man das sagen, von zwei verschiedenen Paradigmen. Wir haben ein altes klassisches, wirtschaftsorientiertes Paradigma. Das hat Ertragssteigerung zum Beispiel sehr stark im Vordergrund, eine große Angebotsfülle. Der Coca-ColaCEO hat noch bei der Anuga-Eröffnung gesagt: „The consumer wants choice„. Also viel Angebot, viel Auswahl und so etwas und natürlich auch eine Erschwinglichkeit, um das zu tragen. Das heißt es soll preislich nicht zu teuer, nicht zu weit oben sein. Und wenn Sie jetzt weitergehen in die ländlichen Regionen, haben die Leute Angst davor, dass sie eine Errungenschaft verlieren. Die Errungenschaft besteht darin, dass sie auf jeden Fall dann, wenn sie wollen, auch unter der Woche gerne, auch Fleisch und Wurst essen können und das bitte niemand irgendetwas betreibt, was dazu führt, dass sie sich ihr Auto, ihren Diesel nicht weiter leisten können.
Und die Kehrseiten des Ganzen kennen Sie, die werden sehr offen diskutiert im Moment. Umwelt, Klimaprobleme, Gesundheitsprobleme und auch psychische Belastungen in Form von Stress und Krankheiten. Krankenkassen haben ständig steigende Scores im Bereich von psychosomatischen Erkrankungen oder Krankheitsbilder, die in diese Richtung gehen.
Wir sollten hier einmal Thomas Kuhn heranziehen. Thomas Kuhn hat im Bereich der Struktur der wissenschaftlichen Revolution versucht nachzuweisen, dass die Paradigmen-Wechsel in der Wissenschaft so vonstattengehen, dass es ein bestehendes Paradigma gibt, das sehr viel erklären kann und dann aber an bestimmten Grenzen auf Erklärungs-Probleme stößt. Und dass neue Paradigmen meistens an diesen Stellen anfangen anzudocken, von einer ganz anderen Seite kommen und dann tatsächlich diese Grenzbereiche ein Stück weit gut erklären können und da auch eine Lösung für anbieten, aber natürlich nicht die gleiche Erklärungsfülle haben, wie vielleicht das alte Paradigma und dann geht das die ganze Zeit in einen Streit.
Ein schönes Beispiel aus früheren Zeiten ist, das, bevor die Leute das neue Elementen-System im Bereich der Chemie entdeckt haben, bevor sie wussten was Sauerstoff ist, haben die Wissenschaftler geglaubt, laut Kuhn, dass der Stoff, der dazu führt, dass Materialien brennen, dass der ‚Phlogiston‘ heißt. Und dann haben sich alle auf die Suche gemacht, Phlogiston zu isolieren, und dann ist es so, dass am Ende einer Phlogiston gefunden hat. Und das Phlogiston, das er gefunden hat, nennen wir heute Sauerstoff.
Und was dann passiert ist, ist, dass Leute dann gesagt haben: „Ja, super, was du da gefunden hast“, dann haben die das natürlich geprüft, so läuft das ja in der Wissenschaft, und dann haben die festgestellt es gibt aber Materialien, die brennen, in denen kein Sauerstoff ist. Und dadurch ist das Phlogiston-Konzept zusammengebrochen. Man musste also andere Erklärungsvarianten haben.
Und worauf ich jetzt hinauswollte, wir sind hier, nach meinem Empfinden, in unserer Kultur in eine Ambivalenz geraten, wo wir einerseits die Vorteile des alten Paradigma haben, wir haben nämlich, was ich gesagt habe, die Angebotsfülle, wir haben erschwingliche Preise, wir haben tolle Dinge, aber wir merken, wir kommen jetzt in Grenzbereiche, in Probleme rein. Also wir können nicht einfach so weitermachen, weil das macht irgendwie Schwierigkeiten. Das macht Probleme, die wir nicht haben wollen. Zum Beispiel Klima, Umwelt, Stress, psychische Belastung.
Und jetzt kann man sagen dieses alte Bild – oder dieses alte Herangehen – wurde auch durch Bilder, klassische Bilder, sehr wohl immer lange auch gestützt. Ein klassisches zum Beispiel, man kann noch andere anführen, ist aber das klassische Christliche, das heißt „Macht euch die Erde untertan, unterwerft euch die Erde“ als Aufgabe des Menschen.
So, und dieses neue Bild und Paradigma, was jetzt dagegen antritt und sagt wir müssen, die Dinge anders machen – setzt eigentlich an den Kehrseiten des alten Paradigmas an. Es sagt, wir können nicht weiter so viel Stress haben, wir können nicht weiter so mit dem Klima umgehen, wir müssen da was anderes bauen. Und dieses neue Bild betreibt interessanterweise so eine Art Text-Exegese oder stellt zumindest die Übersetzung in Frage und sagt, das Bibel-Zitat, wo das gesagt wird, da heißt es gar nicht wortwörtlich „macht euch die Erde untertan“ im Hebräischen. Ich persönlich kann kein hebräisch, aber dann wird da gesagt: Nein, das kann man auch anders übersetzen, das ist eigentlich zu harsch übersetzt und zu pointiert in diese Richtung, das bedeutet eigentlich „nutzt die Fruchtbarkeit der Erde“. So übersetzt hört sich das natürlich ganz anders kann. Das könnte man da auch weiter auslegen im Sinne von „geht pfleglich mit ihr um“.
So und wir finden jetzt plötzlich Vorstellungen von ‚eine-Welt-Ideal‘ und wenn man da googelt, jetzt ganz spannend zum Beispiel unter ‚Weltretter‘, findet man dann viele Leute, die jetzt genau in diesen Umfeldern tätig sind, doch mit dieser Arche Noah-Vorstellung, also das ist nicht pointiert formuliert jetzt von mir, sondern in vielen Fällen auch selbst-etikettiert.
Und bei diesem neuen Bild habe ich natürlich den Vorteil der Klima- /der Umweltverträglichkeit, ich habe Qualität im Essen, ich kümmere mich ums Tierwohl, auch eine ganz andere Haltung zum Tier, das Tier ist nicht mehr etwas, was ich ausbeute und mir zunutze mache, sondern das Tier ist so Teil von mir und der Welt, insofern muss ich bewusst damit umgehen, das Schlachten muss, wenn überhaupt, bewusst stattfinden. Und wenn Sie die Leute im Sinne diese Bilder assoziieren, dann stellen die sich hier eher Ökobauern vor, beispielsweise, wo ein Paar einen Bauernhof führt, wo es vielleicht Großeltern gibt, wo es Hühner gibt, Schweine gibt, Kühe gibt, vielleicht ein Pferd, ein Pony, aber niemals erzählt da jemand, dass da geschlachtet wird. Nie. Es ist psychologisch eigentlich ein Bild für Wellness. Es ist ein Bild, das wir als nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung auf die Landwirtschaft projizieren, wo wir sagen: So würden wir gerne leben wollen. Den Ökobauern, mit denen wir darüber gesprochen haben, denen ist das selber peinlich. Die sagen: „Das sind wir nicht“. Die freuen sich so ein bisschen, dass sie so einen guten Leumund haben und sagen nicht so laut was dagegen, aber es ist auch eine Projektion eigener Wünsche nach mehr Wellness und einem entspannteren Leben.
So, also was wir jetzt haben, wir haben ein neues Paradigma, das anders mit der Welt umgehen will, das aber jetzt auch andere Kehrseiten hat. Kehrseiten wie Preissprünge nach oben, Mengenreduktion. Aber was bedeutet denn das, wenn man jetzt sagt „Ja, Regionalität und so weiter“ und die Tomaten nach wie vor aus Süditalien oder Spanien kommen, weil die da natürlich mehr Sonne kriegen, aber dadurch ja ein paar hundert Kilometer Weg zurücklegen müssen. Geht das? Muss ich dann sozusagen nur Gemüse, Obst aus der Region essen, würde es solche Einschränkungen geben? Also wir kommen mit dem neuen Bild in neue Fragestellungen und Probleme.
Was im Moment also passiert ist, dass geguckt wird: Wie können wir damit umgehen? Man muss sagen, es ist im Moment eher ein Kampf, eine Konkurrenz der Paradigmen, weniger ein Diskurs, der in Austausch kommt. Was wir haben, jetzt nur mal ganz kurz aus den Social Media von vor ein paar Tagen, sind solche Posts, wo man Angela Merkel vor einem Lastenfahrrad sieht, und darunter so einen Schnellzug, so ein Hochgeschwindigkeitszug aus China. Was soll das Bild ausdrücken? Derjenige, der das postet, ist ein Vertreter dieses alten Paradigma. Der sagt: „Wenn wir hier so weitermachen, dann verkommen wir zu Fahrradfahrern, während der Rest der Welt auf dem Gaspedal und auf Speed ist und sich entwickelt und wir nicht“. Und das Gleiche findet man dann umgekehrt zum neuen Paradigma zur Landwirtschaft in solchen Bildern rechts. Die beiden linken Bilder haben extrem viele Klicks bekommen und extrem viele Kommentare. Ich glaube ein Sechstel der Leute, die das geklickt haben, haben das auch irgendwie kommentiert. Also das ist extrem viel.
So, und was wir jetzt sagen können – natürlich sind psychologisch Ambivalenzen, das brauche ich Ihnen jetzt nicht sagen, etwas, was normal ist im Seelischen, was wir in anderen Bereichen auch haben, deswegen klicke ich jetzt hier weiter, weil Sie das kennen, aber was wichtig ist, ist die Frage danach, wie gehen wir um mit den Ambivalenzen? Da ist eben eine entscheidende Instanz die Moral.Und wir kämpfen im Moment in unserer Gesellschaft darum: Was ist die richtige Moral im Umgang mit diesen Themen? Wir haben die zehn Gebote mal in der Vergangenheit gehabt. Wir haben die zehn Gebote ordentlich auch in der Werbung attackiert, wenn man so will. Ich glaube der Höhepunkt war die sieben Todsünden-Kampagne von Magnum Eiscreme gewesen, wo man sagt die Todsünden sind attraktiv. Eine Kampagne, die sogar den Papst dann aufgeregt hatte.
Aber wie sieht es jetzt heute aus mit der Entwicklung der Moral und dem Umgang mit seelischen Ambivalenzen? Was ist das eigentlich, die Vorstellung derjenigen, mit denen wir sprechen, den Konsumenten? Ganz einfach: Die wollen das Beste aus zwei Welten. Die suchen nach Bildern dafür, wie sie diese beiden Welten zusammenkriegen. Also wie kriegt man das hin? Und wie kriegt man die Kehrseiten vermieden? Erstmal durchaus eine sehr bequeme Haltung, weil gesagt wird: Es ist nicht mein Problem diese Produkte zu bauen. Man geht an die Industrie heran oder an die Hersteller, an den Handel, und sagt: Ihr müsst uns das liefern, das muss doch irgendwie möglich sein.
Und dann gibt es natürlich Unterschiede in der Art und Weise, wie das vielleicht in den Angeboten gelöst wird. Ich mache einen kleinen Moment Pause, damit sich die vielen Menschen dort setzen können.
So, jetzt gibt es eigentlich verschiedene Versuche aus Sicht derjenigen, die wir befragen, das Ganze anzugehen. Beispielsweise wird parzelliert. Es ist, als ob sie verschiedene Götter haben, wie so ein Götterhimmel, in dem die verschiedenen Götter unterschiedliche Positionen und Angebote machen. Es gibt Pionier-Götter wie Söbbeke und Andechser. Die haben schon zu einem Zeitpunkt, als das für viele noch gar nicht so super relevant war, sich schon in dem Bio-Bereich getummelt und haben da etwas entwickelt.
Es gibt aber unter den Göttern auch Moralapostel. Hier in Berlin, Sie kennen das, ist die Bio Company sehr auffällig. Die sind in Fachkreisen aber auch national beachtet worden. Es ist sehr ungewöhnlich, wenn ein Händler wie die Bio Company sagt „Kauft weniger“. „Kauft weniger“, dahinter steckt natürlich: Kauft bewusster und kauft bei uns. Aber erst mal ist das sehr ungewöhnlich, das zu machen und hat einen moralischen Impetus.
Und wenn Sie Oatly da hinzufügen, diejenigen die jetzt mit Hafer-Drinks da unterwegs sind und dann Petitionen an den Bundestag schreiben. Sie schwingen sich auf und sagen, dass sie die Guten sind. Sie wollen in ihrem Auftreten die Welt vor sich her treiben und hier mal ordentlich Moral bei uns inszenieren. Als Konsument hat man jetzt einen Vorteil: Man kann einen Moment mal der Moral folgen, indem ich mir so einen Hafer-Drink leiste. Im nächsten Moment kann ich aber dann vielleicht auch auf ein anderes Bild umschwenken. Wir haben so eine gewisse Vielgötterei.
Unternehmen können aber auch Rolemodel-Götter werden. Rolemodel ist zum Beispiel Green Planet Energy, ehemals Greenpeace Energy. Green Planet Energy ist sich völlig im Klaren darüber, dass sie niemals wirklich Volumen an Kontrakten haben werden im Energieversorgungsbereich. Sie wollen vielmehr Rolemodel sein und sagen: Orientiert euch an uns.
Das Gleiche gilt für eine Initiative, die Verbrauchermilch heißt. Das ist eigentlich ganz spannend, weil hier versucht wird, Verbraucher, Händler und Hersteller zusammenzubringen, um einen fairen Preis festzustellen. Auch da glaubt niemand daran, dass das Modell den kompletten Markt ausmachen wird. Aber es ist ein Role Model, genauso wie VAUDE, die immer wieder ausgezeichnet werden, die nachhaltigste Outdoor-Bekleidungs-Marke Europas sein wollen.
Sie können aber, das ist ganz spannend und das ist der Vorteil von solchen Umbrüchen, wenn so Paradigmen aufeinander schrappeln können sie auch ganz neue Wege gehen wollen und zu Vorreiter-Göttern werden. Zum Beispiel Patagonia, ein Anbieter aus den USA sagt „Wir wollen nicht mehr Umsatz machen“. Das muss man sich mal vorstellen, das versteht kein klassischer Wirtschafts-wissenschaftler mehr. Wachstum ist im alten Paradigma quasi Pflicht. Daher wird dann auch diskutiert, ob das eigentlich auch nur wieder ein Werbe-Gag ist. Also, da wird der Vorreiter wieder versucht zu diskreditieren, auch weil die über diese Bekanntgabe, dass sie keinen Umsatz mehr machen wollen, tatsächlich deutlich mehr verkauft haben als vorher.
Und sie können das als Vorreiter aber auch wie bei WELEDA mit sehr spannenden Ansätzen machen. Die sagen: Wenn wir schon so weit sind und diese klassischen Kategorien, in denen wir denken, also diese objektivierten Werte, die ich eingangs erwähnt habe, wenn wir die schon mal überdenken, dann können wir ja ganz neue Parameter einführen, zum Beispiel Glück. Warum soll nicht Glück etwas sein, was ein maßgebliches Credo sein sollte in unserer Unternehmensführung, sowohl für die Mitarbeiter als auch für unsere Konsumenten? Mal abgesehen davon ist Glück auch eine Maxime der amerikanischen Verfassung. Also man merkt, es bricht auch etwas auf und macht vielleicht neue Wege frei. Niemand glaubt, dass sich das sofort breit durchsetzen wird, aber WELEDA steht eben dafür, so etwas mal andenken zu können.
So, und dann gibt es natürlich Unternehmen mit einer Tradition aus dem alten Paradigma. Die haben es nicht so einfach. Verstehen Sie, wenn Sie jetzt sowieso schon Bio sind, dann können Sie natürlich Role Model sein oder Pionier oder so etwas, aber wenn ich klassischer Großproduzent bin, verdammte Hacke, was dann? Eine viel beachtete Lösung hat das Unternehmen Rügenwalder entwickelt. Ich weiß nicht, wie weit das hier bekannt ist. Rügenwalder Mühle hat 2014, meine ich,gesagt, sie bieten auch vegane und vegetarische Produkte an. Damals haben alle oder der Großteilgesagt, das kann niemals gut gehen. Und heute ist es so, dass die Rügenwalder Mühle mit ihrem vegan-vegetarischen Bereich mehr umsetzt als mit dem klassischen Wurstbereich. Warum? Weil sie psychologische Brückenbauer sind. Rügenwalder ermöglicht es, dass die Leute das Gefühl haben, ich kann mich mit allen irgendwie noch an den Tisch setzen, unabhängig davon, welchem Paradigma ich anhänge. Der eine isst eben seine normale Fleischwurst und der andere seine vegane. Das schafft Gemeinschaft. Wir sind nicht gesellschaftlich zerstritten darüber und das ist sehr wertvoll.
Ach so und wir haben dann noch so oben rechts – sehen Sie das noch? Das ist Tierwohl. TV. Läuft wie geschnitten Brot im Moment. Denn alle Lebensmitteleinzelhändler haben großes Interesse daran im Moment, Bildschirme hinter die Fleischtheke zu hängen, wo man sehen kann, dass die Tiere, die sie da von den Bauern beziehen, dass die quicklebendig sind, dass es denen gut geht. Das bereitet ein gutes Gefühl.Tierwohl.TV hat verschiedene Sachen probiert: Die haben versucht, die Bildschirme am Anfang in den Gemüsebereich zu hängen. Und dann haben die ganzen Veggie-Leute gesagt: Geht mir weg, wir wollen da keine Tiere haben, das ist unser Bereich. Die meisten wollten das hinter der Fleischtheke haben. Die Leute fühlen sich dort, durch die Übertragung aus den Ställen, wo es den Tieren gut geht, besser. Das ist auch Brücken bauen.
Ich kann mal den Brückenbauer-Gott nutzen, ich kann aber mal auch die Rebellen-Götter einsetzen. Wenn Sie also beispielsweise hier sonntags mal ein bisschen schlendern mit ihren Freunden, mal ein bisschen chillen, können Sie natürlich gerne sich mal so ein Ben & Jerry’s Eis reinhauen. Dann sind Sie auf jeden Fall auf der guten Seite, oder so eine africola oder fritz kola natürlich. Dann machen Sie nichts falsch, sieht gut aus.
So, und diese traditionellen Unternehmen hier, die haben es natürlich schwer. Es gibt einen Haufen von Ansätzen im Moment, wo wirklich einfach nur Bio oder alternativ vegan – und wo man das Gefühl hat, das klappt nicht, das steht nebeneinander und das passt nicht richtig und ist auch nicht überzeugend. Da ist es eben nicht in eine Sinnhaftigkeit oder in ein Bild gebracht worden.
So, ganz zum Schluss, und dann bin ich am Ende, wollte ich Ihnen zeigen, dass es aber einen weiteren Bereich gibt, den ich für psychologisch sehr spannend halte: Zukunfts-Bauer. Wir haben viel mit der Landwirtschaft gesprochen, mit den Bauern und die haben natürlich ein großes Problem. Das Problem besteht darin, dass der größte Teil der Menschen denkt, die Bauern machen die Umwelt kaputt. Also viele Nitrat-Einträge, Grundwasserbelastungen, Düngen mit Glyphosat. Also eigentlich ist ein moderner Bauer ein Schurke. Außerdem: Gar nicht dran zu denken, wie die mit den Tieren umgehen, ganz schlimm. Also haben sie den Schwarzen Peter. Jetzt sagen die Bauern: „Ja, woher kommt denn das? Das kommt doch nur daher, weil ihr uns zwingt, so zu produzieren. Wenn wir anders produzieren würden, müssten wir höhere Preise nehmen, die akzeptiert ihr aber nicht. Ihr akzeptiert nur das so produzierte Fleisch, nur das so produzierte Gemüse und das Obst.“. Der Schwarze Peter ist aus Sicht der Bauern dann bei dem Endverbraucher. Psychologisch haben wir ein Schwarzer Peter Spiel, das eigentlich den geheimen Sinn hat am Ende nichts zu ändern. So bleiben die Preise unten und die Bauern produzieren weiter so wie bisher.
Aber niemand ist so wirklich glücklich damit. Und das wird jetzt in dieser Paradigmen-Diskussion aufgebrochen und wir haben dann mal tiefer befragt, Konzepte entwickelt. Das wollte ich Ihnen nur mal als Ausblick zeigen, dass man sehen kann, dass an Projekten, die jetzt wirklich in die Zukunft führen, die innovativ sind, die neu sind, dass da ein großes Interesse in der Bevölkerung besteht und nicht nur immer, glaube ich, im Bereich der Landwirtschaft.
Hier haben wir Werte als Zahlen dargestellt, um die Sinnhaftigkeit des „Dritten“, des „Tertium Datur“ als Wege bzw. Übergänge zwischen konventioneller und Öko-Landwirtschaft darzustellen. Erst mal haben wir in einem quantitativ ausgerichteten Befragungs-Setting gefragt, das sehen Sie dann links, „Wie zukunftsorientiert sehen Sie die Landwirtschaft aktuell?“ Und da sehen Sie zwei Balken. Das eine sind die Landwirte und das andere sind die Nicht-Landwirte. Und dann sehen Sie die Bewertung ist ungefähr gleich. Beide sagen 26 % oder 28 %. Dann haben wir gefragt, „Wie zukunftsorientiert wünschen Sie sich die Landwirtschaft?“ Und da sehen Sie in den Scores, dass ungefähr zwei Drittel, sowohl von den Landwirten wie den Nicht-Landwirten, das ist ziemlich identisch, sich wünschen, dass da mehr passiert, dass es zukunftsorientierter wird. Und dann haben wir im Rahmen einer Untersuchung verschiedene Konzepte vorgelegt und eins hatte die Überschrift Zukunfts-Gestalter und das will ich ihnen kurz noch mal am Ende vortragen.
Landwirtschaft heißt Zukunft gestalten. Wenn die Zukunft für immer mehr Menschen gesichert werden soll, können Umweltböden und Vieh nicht immer weiter so ausgebeutet werden, dass sie dauerhaft geschädigt werden. ‚Landwirtschaft der Zukunft‘ bedeutet daher mehr als Ertragssteigerung. Schon jetzt produziert die Landwirtschaft erneuerbare Energien, entwickelt zum Beispiel Kartoffelzüchtung auf Salzböden oder arbeitet an Steigerung der Bodenqualität, mit dem Ziel weniger Pflanzenschutz einsetzen zu müssen.
Landwirtschaft war schon immer aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien, die Kombination alten Wissens und moderner Technik kann Nachhaltigkeits-Aspekte stärken und Umwelt bewahren, ohne dass dies zu Lasten der Produktionsmengen gehen muss. Technik und Landwirtschaft könnten also in der Zukunft mehr denn je miteinander harmonieren. Das hat 90 % Zustimmung bekommen, sowohl bei den Landwirten als auch bei den Nicht-Landwirten. Also, hier ist ein Interesse daran, auch nicht nur im Bestehenden zu bleiben, sondern darüber hinaus zu gehen.
Was auch im wirtschaftlichen Umfeld am Ende zählt, ist also der Doppelsinn von Werten. Sinnhaftigkeit entsteht dabei im Übergang von phänomenaler Vielfalt und objektivierender Fokussierung sowie in den Übergängen von bestehenden zu neuen Bildern, die sich herausfordern. Das Tagungsmotto Bilder – Sinn – Bilder macht das wunderbar deutlich!
Und in diesem Sinne wollte ich gerne schließen und bedanke mich für sehr geduldiges Zuhören am Samstagmorgen. Es war doch etwas länger als ich das gedacht hatte, aber Sie haben so aufmerksam zugehört, dass ich Spaß dran hatte, immer mal zusätzlich ein paar Schlenker einzubauen. Vielen Dank.
(und Heinz Grüne)
Eine Einführung mit Fallbeispielen (1/93)
Zum ‘Kulturproblem‘ im internationalen Marketing (2/93)
Sieben Auslöser für ein Zapping (1/95)
Jens Lönneker (Dipl.Psych.) ist einer der Gründer der rheingold Gruppe. Zusammen mit seiner Frau Ines Imdahl gründete er 2010 den rheingold salon – heute eine der ersten Adressen in der qualitativen Markt-Medienforschung. Hier forscht und berät er national wie international in den Bereichen Grundlagenforschung, Produkt- und Markenentwicklung und Kommunikationsstrategien. Er hat u.a. Beiträge zu den Themenfeldern Ernährung, Medien, öffentliche Meinungsbildung, Sponsoring und Verfassungsmarketing veröffentlicht. Als Lehrbeauftragter bzw. Referent war er u.a. an der Universität der Künste in Berlin, der Business School Berlin (BSB) und der Universität St. Gallen tätig. Jens Lönneker ist Präsident der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V. (G·E·M).
Kontakt: Loenneker@rheingold-salon.de