Morphologie – Kunst oder Wissenschaft?

Nur durch Kunst wird unsere alltägliche Kunst verstanden.

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Daniel Salber

Autor:in

Daniel Salber

Nach philosophischen Studien und Wanderjahren in Medien und Industrie ar-beitet Dr. Daniel Salber, Jahrgang 1956, heute mit der Morphologischen Psychologie in Forschung, Beratung und Unterricht. Damit setzt er die von seinem Vater, Wilhelm Salber, an der Universität Köln entwickelte Lehre fort.

Kontakt: info@danielsalber.de

Vorträge in der Wilhelm Salber Bibliothek

Morphologie - Kunst oder Wissenschaft?

Nur durch Kunst wird unsere alltägliche Kunst verstanden

Was bedeutet die These Wilhelm Salbers, die Psychologie sei ein „kunstanaloges“ Unternehmen? Offenbar steckt darin ein Bruch mit der akademischen Auffassung der Psychologie als strenger Wissenschaft. Dieser Bruch weist daraufhin, dass die Morphologie überhaupt aus einem geschichtlichen Bruch hervorging: aus dem Bruch mit Ideologien, Wertungen, psychologischen Modellen, Forschungsergebnissen. Mein Vater verstand sich gerne als „Bilderstürmer“. Um was ging es ihm bei der Stürmerei? Nicht um eine bloße Vermehrung des Wissens, nicht um ein neues Modell oder eine neue Theorie. Er wollte mehr als Wissen: er wollte eine universale Wahrheit aussprechen. Paradoxerweise suchte er gerade im Bruch der „anerkannten“ und „seriösen“ Psychologie tragende Lebens-Wahrheiten.

 Der Bilderstürmer

Die Morphologie ist eine Antipsychologie. Am deutlichsten wird das in Salbers Vorträgen (s.Masterarbeit Tobias Schlosser, BSP 2019). Die Ouvertüre der Vorträge ist stets eine Falsifizierung der herrschenden Psychologie anhand konkreter Alltags-Erfahrungen. Durch Antipsychologie zur Wahrheit finden: das haben auch Kierkegaard, Nietzsche, Wittgenstein, Lacan versucht. Wie sie hinterließ auch Wilhelm Salber eine stark persönlich gefärbte Lehre. Und wie sie verausgabte auch er sich in zahlreichen Anläufen, wider besseren Wissens ein detailliertes „System“ zu erbauen.  

Wissenschaft – so die Erfahrung der Antipsychologen und Antiphilosophen – gerät wie alle gesellschaftlichen Veranstaltungen in Verkehrungen, in „Obskurantismus“ (A.N. Whitehead) oder lebensfernen Akademismus. Mir scheint, auch die Morphologie entkommt dieser Gefahr nicht immer.  

Umso wichtiger die Frage: Was ist der lebendige Kern der Morphologie? Was ist ihre Wahrheit? Die Frage, ob sie Kunst oder Wissenschaft ist, dient mir dazu, diese Wahrheit aufzudecken. 

Sein, Wahrheit, Subjekt

Obwohl Wilhelm Salber diese traditionellen Begriffe stets vermieden hat, nutze ich sie hier experimentell, da sich bekanntlich eine Sache nur zeigt, indem wir sie drehen. Zu meiner „ontologischen“ Drehung haben mich Gedanken von Alain Badiou inspiriert. Sicher gibt es andere Auslegungen der Morphologie: es gibt viele Wahrheiten. Was aber sicher falsch ist: die Behauptung auf Wikipedia, Wilhelm Salber habe einen „integrativen Forschungsansatz“ verfolgt. Totaler Blödsinn.

Für Salbers Morphologie bedeutet „Sein“ nichts Dingliches, nichts Endliches, sondern ein Unendliches. Im Gegensatz zur philosophischen und psychologischen Tradition gibt es für Wilhelm Salber jedoch keine Einheit des Seins: keinen Gott, keinen durchgängigen Sinn, keinen Willen zur Macht, keinen Trieb zur Mutterbrust. Auch die im Marxismus und Kapitalismus ausgerufenen Welt-Einheiten, Gesellschaft und Geld, sind Weltanschauungen, Religionsersatz. Sein ohne Einheit bedeutet unendliche Vielheit, eine Unendlichkeit von Unendlichkeiten. Eine wesentliche Seinserfahrung ist der „endlose Augenblick“, den Wilhelm Salber als faszinierende „Grunderfahrung“ der Morphologie bezeichnete (Vorlesung „Klinische Psychologie“).

Gibt es auch keine Seins-Einheit, so gibt es doch Wahrheit, sogar: universale Wahrheiten. Sie werden jedoch nicht durch lineares Denken gefunden, sondern dadurch, dass Menschen einen ereignishaften Bruch in einer verstehbaren Struktur erfahren und diesem Geschehen eine Form geben.

Künstlern ist dieses Wahrheitsverfahren vertraut. Das Kunstwerk ist ein Beispiel für ein geschichtliches, lokales Werk, das dennoch universale Reichweite hat. Auch Liebende erfahren, wie eine zufällige Begegnung dazu aufruft, das ganze Leben in eine neue Form zu bringen. „Kunstanalog“ zielt die morphologische Intensivberatung darauf, einen „Ruck“ zu ermöglichen, ein zufälliges Ereignis, das weder vom Klienten noch vom Therapeuten erzwungen werden kann und doch beiden eine Perspektive eröffnet, welche die Formenbildung bzw. „Modellierung“ über ihre bisherige Grenze bringt. Und auch wenn es in der Morphologie keine ewigen Wahrheiten gibt, so doch zeitliche.

„Wahrheit“ hat also nichts damit zu tun, dass ein Objekt adäquat von einem Subjekt erfasst wird. Dieser „Objektivismus“ ist seit Nietzsche nicht mehr haltbar. Um aus dem alten Subjekt-Objekt-Schema herauszukommen, verzichtete Wilhelm Salber konsequenterweise auf den Subjekts-Begriff. Aber was sollen wir uns unter „dem Seelischen“ vorstellen? Das irgendwie alles durchdringt, in gewisser Weise alles „ist“? Mit seinem Lieblingsbegriff „das Seelische“ meint Wilhelm Salber ein über-individuelles Subjekt. Eben nicht das Cogito-Ich Descartes‘, auch nicht das gebeutelte Ich Freuds, die beide ins Individuum gepfercht waren und einer ganz fremden Objektwelt gegenüberstanden. Im Individuum sitzt sozusagen ein zweites Männchen drin, das alles nach draußen hin regelt. Nein. Das Individuum hat für Salber an einem über-individuellen „Seelischen“ teil. Es kann sich zwar im „kleinen Kreis“ des Gewohnten und Geläufigen einschließen und sich für das Leblose entscheiden. Der Einzelne kann sich aber auch vom über-individuellen Subjekt aneignen lassen. Das bedeutet, mit dem Engen und Vorgegebenen zu brechen, eine universale Wahrheit zu erfahren und ihr zu dienen. Beispielsweise indem er oder sie Musik, Malerei, Morphologie oder die Revolution betreibt. Das „Seelische“ als das Subjekt ist das Medium, in dem universale Wahrheit sich ereignen kann („universale Verhältnisse“, z.B. „universale Dramatik“ der Märchen). Übrigens bezeichnete Wilhelm Salber seine Morphologie gelegentlich als „Panpsychismus“ – wir dürfen auch sagen: „Pansubjektivismus“.  

Das Ereignis der Morphologie

Diese Darlegungen mögen etwas abstrakt klingen, daher wenden wir sie zur Veranschaulichung einmal auf die Morphologie selber an. Wenn die Wahrheit eines Menschen (sein Subjekt-Werden) durch „Treue zu einem Ereignis“ entsteht (A. Badiou): Was ist dann das entscheidende Ereignis, dem Wilhelm Salber lebenslang treu blieb? Über diese Frage habe ich mit Linde Salber diskutiert, und wir kamen zum Ergebnis, dass sich die Morphologie dem Ereignis der vollständigen Welt-Auflösung verdankt, die der Zweite Weltkrieg hinterließ. Nicht nur Städte gingen in Trümmer, sondern auch Götter, Ideologien, Bindungen, die meisten Wissenschaften, Moralvorstellungen usw. Mein Vater stand mit 17 Jahren vor einer Realität, die sehr genau dem entsprach, was Nietzsche schon 1882 in der Formel „Gott ist tot“ dachte:   

„Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken.

‚Wohin ist Gott?‘ rief er, ‚ich will es euch sagen! 
Wir haben ihn getötet – ihr und ich! 
Wir sind seine Mörder! Aber wie haben wir das gemacht? 
Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? 
Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? 
Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun?

Wohin bewegen wir uns? 
Fort von allen Sonnen? 
Stürzen wir nicht fortwährend? 
Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? 
Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts? 
Haucht uns nicht der leere Raum an? 
Ist es nicht kälter geworden? 
Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht?‘“

(Die fröhliche Wissenschaft)

 Wie kann trotz dieser „Weltnacht“ (M. Heidegger) eine Wahrheit gefunden werden, die uns Halt im Nichts gibt – eine Wahrheit jenseits aller gestürzten Ideologien und illusionären Einheits-Vorstellungen? Schon Nietzsche wusste: Um dem Nihilismus zu entkommen, muss das Unmögliche gelingen, Wahrheiten ans Licht zu bringen und festzuhalten. Ich glaube, diese Aufgabe ergriff meinen Vater im Ereignis des kompletten Zusammenbruchs. In seiner Morphologie rang er um eine Lösung dieses Problems.

Was diese Psychologie durchaus verbindet mit den positivistischen und statistischen Konzepten der Psychologie. Auch die sog. „naturwissenschaftliche“ Psychologie will offen und ideologiefrei dem Leben eine stabile Orientierung geben. Ihr warf die Morphologie allerdings vor, mit unausgewiesenen Vorannahmen zu operieren. Was ist Wahrnehmung? Wer nimmt was wahr? Mit welchem Recht werden Begriffe wie Reiz, Emotion, Lernen, Persönlichkeit wie selbstverständlich verwendet? Die Morphologie versteht sich als ein radikalerer Empirismus als die empirische Psychologie. Witzigerweise werfen sich beide Seiten gegenseitig vor, mit metaphysischen Voraussetzungen zu arbeiten. Aber dazu später mehr.

Wissenschaft oder Kunst?

Gerade im Verlust der Götter, Ideologien, Letztbegründungen etc. erkannte Wilhelm Salber die Chance, menschliche Wahrheiten zu finden. Das einzig Verlässliche war ihm das Nicht-Kategorisierte, das konkret Erfahrbare im täglichen Leben: die „Ästhetik“ im ursprünglichen Sinne von „Sinnlichkeit“. Er liebte diese Wirklichkeit mehr als die Abstraktionen der Wissenschaften. Was außerdem blieb: die Dichtungen von Homer, Cervantes, Dostojewski, Flaubert und einigen anderen. Meinem Vater war früh klar, dass die Psychologie auf rein wissenschaftlichem Wege (durch Methode) nicht an die Wahrheit unserer Existenz herankommt. Denn entweder nähert sie sich dem wirklichen Leben, aber dann nicht mehr auf wissenschaftliche Weise, sondern eher in Form von Dichtung, Kunst, Musik. Oder Psychologie bleibt Wissenschaft, aber dann verliert sie die Eigenart unserer Existenz aus dem Blick, behandelt den Menschen wie einen Gegenstand oder eine Ware unter anderen. Eine wissenschaftliche Psychologie ist ein hölzernes Eisen.


Einen Ausweg aus diesem Dilemma eröffnete die These, das Wahrheitsverfahren der Kunst sei Vorbild der Psychologie. In der Kunst geschieht Wahrheit: In einem geschichtlichen Bruch– das kann auch ein ganz unscheinbares Ereignis sein, das der Einzelne nicht in der Hand hat – kann er ein Werk von universaler Bedeutung schaffen, indem er dem Geschehen eine neue Form gibt. Die Therapie habe wie die gesamte Psychologie „kunstanalog“ zu verfahren, lehrte Wilhelm Salber. Das heißt: Psychologie ist eine kunstähnliche Formen-Bildung, die nicht am Fließband betrieben werden kann (wie das Krankenkassen und Unternehmen wünschen), sie hat das Gelingen ihrer Werke gar nicht in der Hand. Wir stehen hier am Gegenpol zur wissenschaftlichen Methode, die Sicherheit und Gewissheit verspricht.   

Picasso als anschauliche Morphologie

Die Kunst, durch spielerische Brechung die Dinge so zu erfahren, wie sie in Wahrheit sind, wird bei Picasso nicht nur sichtbar, sondern ausdrücklich Thema. Nicht durch minutiöses Abschildern, sondern in freien Verrückungen zeigt sich, was ein Mensch oder Ding ist. Doppelte Nasen, grobe Vereinfachungen, erstaunliche Auslassungen, schräge Fügungen des Ungefügen: das ist das wahre Leben. Was anfängt, geht plötzlich anders weiter. Es gibt nichts Gerades und Glattes – das ist nur allgemeine Tünche, Heuchelei, Zurechtmachung.

Kein Wunder, dass eine Picasso-Psychologie auch Redundanzen, Widersprüche, unnötige Schleifen, Rätsel und Unschärfen aufweist! Hüten wir uns vor bequemen Begradigungen – haben wir Mut, auch die Morphologie zu verrücken, weiterzudrehen! Sie ist keinesfalls fertig, nicht beendet – sie steht erst am Anfang. Morphologie ist kein Gegenstand zum akademischen Abprüfen, sondern sie bleibt in Bewegung: mein Vater hat ihr einen Anfang gesetzt.       

Die Anlehnung von Psychologie und Philosophie an die Kunst hat Wilhelm Salber u.a. bei Schelling und Nietzsche vorgefunden – für beide eine Opposition gegen den Platonismus. In den 1960er Jahren hatte die Verwebung von Psychologie und Kunst jedoch eine ganz andere Bedeutung. Sie war eine doppelte Kampfansage: gegen die positivistische Psychologie und gegen die damals hippe Verwebung von Psychologie und Politik. Doch egal, ob man Psychologie mit Kunst oder Politik unterfüttert – in beiden Fällen erweist sich wissenschaftliche Psychologie als ergänzungsbedürftige, als nicht-autonome Tätigkeit. Gerade die Notwendigkeit einer Verwebung der Psychologie mit Kunst bekräftigt die Unmöglichkeit eines rein wissenschaftlichen Vorgehens in dieser Disziplin.   

Kurz und ergreifend: Psychologie als Wissenschaft ist ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch hat Wilhelm Salber beinah sein ganzes Werk hindurch immer wieder darlegen wollen, dass eine „Psychologische Psychologie“ als Wissenschaft möglich sei. Die Möglichkeit des Unmöglichen. Aus morphologischer Sicht ist eine solche Paradoxie durchaus denkbar – allerdings nicht aus Sicht der heute herrschenden Normalwissenschaft.

So erfüllt die Morphologie nicht das Falsifizierungs-Kriterium, das K. Popper aufstellte: „Die Objektivität der wissenschaftlichen Sätze liegt darin, daß sie intersubjektiv nachprüfbar sein müssen“ (Karl Popper: Logik der Forschung. 9. Auflage. Mohr, Tübingen 1989, S. 59.).

Eine Erlebensbeschreibung ist ebensowenig intersubjektiv nachprüfbar (falsifizierbar) wie die Herleitung des „Hexagramms“ oder der „Vier Versionen“. In Masterarbeiten erscheinen diese ‚Garanten der Wissenschaftlichkeit‘ stets wie vom Himmel gefallen. Gut, lassen wir Poppers Kriterium beiseite, so bleibt immer noch die entschlossene Abweisung der Morphologie durch die wissenschaftliche Community. Die wissenschaftliche Gemeinschaft war und ist mit dem Paradigmenwechsel (T.S. Kuhn sprach sogar von „Gestaltwechsel“) schlicht überfordert, den die Morphologie verlangt. Aufgrund der Inkommensurabilität von Morphologie und Normalpsychologie (beide leben in verschiedenen Welten) ist auch gar nicht entscheidbar, welche die „richtige“ Auffassung ist. Mensch, Welt, Ding, Liebe, Wahrheit usf. sind in der Morphologie etwas ganz anderes als in einer „naturwissenschaftlich“ orientierten Psychologie. Für die Morphologie existieren Reize nicht – für den Behaviorismus existiert das Seelische nicht. Zwischen beiden Konzepten ist jeder Streit sinnlos.     

Der Rückzug meines Vaters in die Isolation und seine recht kubistischen Bücher haben vermutlich dazu beigetragen, dass seine Lehre im Sinne der heutigen Normalwissenschaft keine „anerkannte“ Wissenschaft ist. Damit ist sie in guter Gesellschaft: auch die Psychoanalyse gilt als „Pseudowissenschaft“ (K. Popper) mit zweifelhafter Heilwirkung.   

Keine „Wissenschaft“ – na und? Wäre das so eine Katastrophe? Für wen? Morphologie ist eine Kunst! Ist es nicht klüger, eine unaufhaltsame Zeittendenz zu akzeptieren, statt vergeblich gegen Windmühlen anzurennen? Ist es nicht besser, die Morphologie zu bewahren, als sie in Akademismus erstarren zu lassen oder – noch schlimmer – auf geltende Paradigmen zurecht zubiegen? F.D.E. Schleiermacher, einer der Urväter der verstehenden Psychologie, nannte Hermeneutik ausdrücklich eine „Kunst des Verstehens“.  Genau das ist Morphologie: eine Kunstlehre des Sinn-Verstehens. Jeder Morphologe ist ein Künstler.   

Einige Tage vor seinem Tod, so berichtet Linde Salber, plante Wilhelm Salber eine komplette Neuformulierung der Morphologie: er wollte sie ausdrücklich als eine Kunst darstellen! Sein letztes Werk, die „Lachgeschichte“ (2016), ging bereits in diese Richtung. Den Mächtigen kann nur der Narr noch die Wahrheit sagen. Der Narr ist sich gewiss, dass die Seriösen, Anerkannten und Streng-Wissenschaftlichen die wahren Narren sind. Aus deren Sicht bleibt freilich der Narr ein „toller Mensch“ (Nietzsche, s.o.). Und so führt die Inkommensurabilität der Psychologien zur klassischen Komödie: die Narren, das sind immer die Anderen. Und die Psychologie – ein Tollhaus.

Psychologie betreiben heißt, eine Form der Tollheit zu wählen. Wenn ich jetzt meine Tollheit wählen sollte, dann sicher nicht die gleichgültige „Objektivität“ der postmodernen Forschung. Sondern eine erkämpfte, leidenschaftliche Wahrheit, wie sie in der Morphologie zu finden ist. So wie vorher, in den Rissen der Zeiten, bei Platon, Marx, Nietzsche.

Leidenschaftlich bekräftigt Wilhelm Salber 2003 zum Abschluss seines Aufsatzes „Verdrängte Phänomene – verdrängte Metapsychologie“ (Zwischenschritte Jg.21, S. 205):

„Nur indem sich (die Psychologie) von den unbewusst verkehrenden Spaltungsmaßnahmen löst, die aus der Angst vor einer ‚unwissenschaftlichen‘ Werdewelt geboren werden, kann sie sich auf die ‚schön-hässliche‘ Psychästhetik dieser Werdewelt einlassen.“

Paradoxerweise ermöglicht gerade der Verzicht auf Wissenschaftlichkeit eine psychologische Wissenschaft neuen Typs:

„Eine Psychologische Psychologie lässt sich auf die Frage nach dem ‚Wissen, was wir tun‘ ein; sie sucht eine wissenschaftliche Psychologie möglich zu machen, indem sie sich in den seltsamen, paradoxen und komischen… Leiden und Freuden einer Verwandlungswirklichkeit mitbewegt.“

Wissenschaft vom Menschen nur im Durchbrechen der Wissenschaft – ist das nicht toll?

PS. Mein Beitrag hat einige etablierte Psychologen erschreckt. Kunst lässt sich offenbar schlecht verkaufen. Für sie noch einmal: das Paradox, das unsere ganze Existenz bestimmt, macht vor dem Tor zur Wissenschaft nicht Halt. Morphologie ist eine hellsichtige Seelen-Wissenschaft, die ihre Grenzen feststellt. Wer das Paradox in der Psychologie nicht aushält, erschafft sich wieder genau die Illusion einer „wissenschaftlichen Wissenschaft“, gegen die mein Vater angetreten ist. 

Daniel Salber

Autor:in

Daniel Salber

Nach philosophischen Studien und Wanderjahren in Medien und Industrie ar-beitet Dr. Daniel Salber, Jahrgang 1956, heute mit der Morphologischen Psychologie in Forschung, Beratung und Unterricht. Damit setzt er die von seinem Vater, Wilhelm Salber, an der Universität Köln entwickelte Lehre fort.

Kontakt: info@danielsalber.de

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