Ringvorlesung: Vom Hörsaal ins Arbeitsleben – Morphologische Psychologie zwischen Theorie und Praxis – Digitalisierung

Ein Transkript der morphologischen Ringvorlesung „Vom Hörsaal ins Arbeitsleben“ mit Prof. Dr. Susan Hinterding und Birgit Langebartels, moderiert von Valerian Warmuth.

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Autor:in

Valerian Warmuth studierte Wirtschaftspsychologie (B.Sc. & M.Sc.) an der BSP Business & Law School Berlin. Zudem ist er zertifizierter Systemischer Coach und Therapeut, sowie Analytischer Intensivberater. Er hat Erfahrung in Marktforschungs- und Beratungsprojekten in den Bereichen Unternehmensentwicklung, FMCG und Health Care, sowie im Projektmanagement für den Förderschwerpunkt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz Mittelstand-Digital. Aktuell ist er als freier Dozent für Wirtschaftspsychologie an der BSP tätig.

Ringvorlesung: Vom Hörsaal ins Arbeitsleben - Morphologische Psychologie zwischen Theorie und Praxis - Digitalisierung

Valerian Warmuth: Guten Abend an alle Teilnehmenden. Herzlich willkommen zur zweiten Veranstaltung unserer Ringvorlesung „Vom Hörsaal ins Arbeitsleben“. Unsere Vorlesungsreihe widmet sich der Frage, wie die Morphologische Psychologie in der Praxis Anwendung findet. Letzte Woche fand der gelungene Auftakt zum Thema Kunstcoaching statt. Heute Abend beleuchten wir das Thema Digitalisierung in der Arbeitswelt am Beispiel einer Studie zum Thema Home-Office. Wir freuen uns, Ihnen dazu zwei herausragende Expertinnen vorstellen zu dürfen. Als Vertreterin der Lehre begrüßen wir Prof. Dr. Susan Hinterding. Sie absolvierte ihr Psychologiestudium an der Universität zu Köln und promovierte mit einer Dissertation, in der sie den „Studienwahlprozess als tiefenpsychologischen Selbstbehandlungsprozess“ erforschte. Sie ist seit nun mehr 16 Jahren als Dozentin in der Lehre tätig und seit rund 25 Jahren in der Marktforschung. Als Professorin leitet Sie zudem den Studiengang Medienpsychologie. Auf der Seite der Praxis begrüßen wir Birgit Langebartels. Sie ist Diplom-Psychologin mit über 25 Jahren Erfahrung in der tiefenpsychologischen Marktforschung. Dabei war sie langjährige Mitarbeiterin des Rheingold Instituts und leitete dort den Bereich „Gender & Generation“. 2019 hat Sie zudem ein Buch über Depression veröffentlicht. Im Juli 2024 gründete sie ihr eigenes Institut „b.forscht“, das sich auf erlebbare und umsetzbare Markt- und Medienforschung spezialisiert hat. Ich freue mich, dass wir heute zwei so erfahrene Persönlichkeiten hier haben, die uns ihre Perspektiven näherbringen werden. Nach circa einer Stunde des Vortrages werden wir dann den Raum öffnen für eine gemeinsame Diskussion im Plenum. Gerne möchte ich nun an die Expertinnen übergeben und die heutige Veranstaltung eröffnen!

Susan Hinterding: Heute die Homeoffice-Lüge, warum Homeoffice viel mehr ist, als zu Hause zu arbeiten und wie die Zukunft der Arbeit gelingen kann. Da ist uns gelungen, heute die Birgit Langebartels hier einzuladen. Eine sehr erfahrene Marktforscherin, tolle Kollegin, spannende Autorin und Podcasterin. Ich freue mich sehr, Birgit, dass du heute dabei bist und das mit mir hier zusammen machst. Genau. Ich hole euch mal ein bisschen in den Hintergrund rein, warum wir hier von einem Kooperationsprojekt zwischen Praxis und Lehre sprechen. Wir haben während der Lockdown-Zeit oder während der Corona-Pandemie die Möglichkeit gehabt, mit dem Rheingold-Institut ein Praxisprojekt durchzuführen. Das heißt, die BSP und das Rheingold-Institut haben zusammen eine Befragung durchgeführt. Das war so, ich glaube, zwischen zwei Lockdowns. Wir wollten Menschen befragen, wie sie denn diese veränderte Arbeitswelt erleben. Das war für uns damals ganz spannend und ist auch ein absolut wirtschaftspsychologisches Thema, was man tiefenpsychologisch, morphologisch sehr schön untersuchen kann. Und da hatten wir dann das Glück, das zusammen machen zu können. Viele Studierende haben dabei geholfen und haben hier mit Interviews unterstützt. Und die Birgit hat mittlerweile ein eigenes kleines Forschungsunternehmen gegründet, b.forscht. Und wir durften aber netterweise trotzdem mit der Erlaubnis des Rheingold-Instituts über diese Ergebnisse sprechen. Und ich durfte Birgit nochmal einladen, weil sie damals die Projektleitung von der Seite übernommen hat. Was ist das Ziel dieser Veranstaltung? Einmal anhand dieser Studie zu schauen, welche Relevanz hat das Thema heute und damals. Und wir wollen euch auch gerne hier zum Dialog einladen, weil seit dem Lockdown und auch vor der Pandemie haben wir das Thema Homeoffice ja schon gehabt. Und da ist einiges passiert. Es gibt einige neue, flexible, hybride Arbeitsformen. Und die Birgit wird euch gleich nochmal beschreiben, wie diese Arbeitswelt, also wie sich die Arbeitswelt verändert, in welchen Veränderungsprozessen sie sich gerade befindet. Und wo wir beratende Wirtschaftspsychologen mit zu tun bekommen und wo wir auch in Schwierigkeiten reinkommen, die in Organisationen und Unternehmen gerade stark da sind. Und ihr kriegt das bestimmt in der Presse auch mit, wenn über Homeoffice geschrieben wird. Und der Diskussionsteil ist dafür da, einfach zu schauen, okay, wie ist denn eigentlich gerade unsere gemeinsame Perspektive auf das Thema und welche Fragen tauchen an der Stelle auch auf. Vielleicht nur da nochmal einen kurzen Einblick bevor wir die Corona-Pandemie und die Lockdowns gehabt haben, war die Verteilung des Homeoffice in Deutschland bei 12,5 Prozent. Also es war nicht so stark vertreten mit dem Homeoffice und deutsche Unternehmen haben sich wahnsinnig auch im europäischen Vergleich schwergetan, Homeoffice überhaupt anzubieten. Damit ihr das nochmal seht, dass die Corona-Pandemie an der Stelle auch viele Unternehmen sehr stark zum Umdenken gezwungen hat, weil es einfach noch gar nicht so selbstverständlich war. Also wir mussten stark umstellen. Das war eine große Herausforderung für Arbeitnehmende und Arbeitgebende. Auch weil hier stark mit einem Kontrollverlust umgegangen werden musste. Also da wird die Birgit auch gleich nochmal konkret darauf eingehen, dass Leute auf einmal Computer mit nach Hause nehmen mussten, um da neue Arbeitsprozesse zu entwickeln und sich da auch sehr spannende Lösungen währenddessen gezeigt haben, die alle sehr unterschiedlich waren. Wen haben wir untersucht? Sehr viele Menschen, die Studie, die wir mit der BSP gemacht haben, das waren die 18 Rheingold-Interviews, aber die 76 Tiefeninterviews, die dazugekommen sind, waren auch nochmal für einen anderen Auftraggeber, der auch das Thema damals beforscht hat und da reingucken wollte. Die Geschlechtsverteilung war paritätisch. Wir haben Homeoffice-Befürworter und -ablehner gehabt zwischen 21 und 55 Jahren. Die Gespräche wurden digital geführt. Das war auch in der Zeit, wo es auch noch gar nicht so locker war. Also auch selbst die Marktforschung hat sich in der Zeit stark digitalisiert, damit wir überhaupt weitere Interviews führen konnten. Wir gehen in die Ergebnisse. Und da gebe ich jetzt an die Birgit ab, die euch da nochmal reinholt.

Birgit Langebartels: Vielen Dank, liebe Susanne. Vielleicht ganz kurz greife ich das noch auf. Also die Studie ist noch in meiner Zeit, während ich beim Rheingold-Institut tätig war, habe ich die durchgeführt, gemeinsam mit der Susanne und anderen Kolleginnen und Kollegen. Und ich bin jetzt seit 1.7. letzten Jahres komplett in die Selbstständigkeit gegangen, mit b.forscht und werde aber jetzt hier die Ergebnisse, soweit wir die damals auch schon veröffentlicht haben, auch vorstellen. Aber es fließen auch noch jetzt Erkenntnisse mit ein, die in den letzten halben Jahren in meiner eigenen Forschung noch hinzugekommen sind. Wenn wir uns mit Menschen beschäftigen, das ist ihnen ja alles sehr nah, also dass wir im Grunde erstmal uns fragen müssen, in welcher gesellschaftlichen Situation befinden wir uns. Das heißt, wir müssen das alles immer in einem größeren Wirkungszusammenhang sehen. Das macht auch gerade die morphologische Psychologie aus, dass wir schauen, in welchem psychologischen Klima, in welchem gesellschaftlichen Klima befinden wir uns eigentlich. Und das ist im Grunde die Verstehensbasis, um den Umgang mit dem Thema Homeoffice, um den Umgang mit Joghurt, um den Umgang mit Kino, um im Grunde alle Alltagsphänomene auch verstehen und einordnen zu können. Das heißt, wir müssen einen kulturellen Wandel verstehen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und das sagen wir natürlich auch immer den Unternehmen und bringen es erstmal auf diese allgemeine Verstehensbasis. Das verändert sich natürlich. Das heißt, wir haben unterschiedliche gesellschaftliche Klimas, die sich verändern und die wir aber auch in Betracht ziehen müssen. Das heißt, wir haben hier geschaut, auf welcher psychologischen Basis kommt uns das Thema Homeoffice eigentlich entgegen. Das heißt, wie sind wir eigentlich in dieser Phase, wo es auf einmal hieß, von zu Hause aus arbeiten. Wie sind wir da eigentlich reingestartet? Wir hatten zu der Zeit und das ist eigentlich immer noch, aber es hat sich natürlich durch die Corona-Pandemie, durch die Krisen etwas verändert. Aber damals war es so, dass wir im Grunde das Versprechen unserer Kultur hatten von Multi-Optionalität. Mach, was du möchtest. Du kannst alles tun. Du kannst auch mehreres zugleich machen. Also gerade der digitale Machbarkeitswahn, der hat sehr unsere Wünsche, unsere Sorgen, Nöte und all das bestimmt. Das heißt, getrieben von dem Versprechen, Multi-Optionalität sind wir im Leben im Grunde auf bestimmte Dinge gestoßen, so wie auch auf das Thema Arbeit von zu Hause. Wie gehe ich damit um, nicht mehr ins Office zu gehen und so weiter. Wir hatten dieses Versprechen im Zusammenhang mit der Multi-Optionalität alles zugleich. Und wir sind selber auch im Grunde, ja, Herr oder Frau unseres Lebens. Wir sind Autorin, Autor unseres Lebens und haben das Gefühl, mit Selbstwirksamkeit und Kontrolle, das wäre der nächste Aspekt, im Grunde unser Leben steuern zu können. Das ist eigentlich das große Versprechen unserer Kultur gewesen. Jetzt denken Sie sich vielleicht auch, so einfach ist es eben auch nicht mit Multi-Optionalität und ich kann eben doch nicht alles erreichen. Ich komme ja doch immer wieder an die Grenzen. Ja, diese Grenzen sind uns Menschen immanent. Die sind Menschen gemacht. Wir kommen, wir stoßen an Grenzen. Aber wir sind getrieben und wir sind angeregt durch dieses Versprechen unserer Kultur. Die Kehrseiten sind aber so etwas wie Orientierungslosigkeit beispielsweise. Denn wenn auf der einen Seite alles machbar scheint, wenn alles möglich ist, dann weiß ich eigentlich auch nicht mehr so richtig, wo ist der richtige Weg? Woran kann ich mich orientieren? Wo ist mein Leuchtturm, meine Leitplanken? Das sehen wir auch immer sehr gut bei jungen Menschen. Das ist bei ihnen auch nicht so lange her, dass sie ihr Abitur hinter sich haben. Und dann zum Zeitpunkt des Abiturs beispielsweise. Das ist nochmal sehr prägend für diese Generation, die im Moment auch Abitur macht oder das vor ein paar Jahren gemacht hat. Dass mit dem Abitur auf einmal alle Wege offen stehen. Und das auf der einen Seite unfassbare Chancen sind. Das haben wir natürlich auch mit dem Thema Arbeit. Also du kannst arbeiten, was du möchtest. Du kannst alles werden. Aber es ist natürlich auch ein Druck. Das heißt, ich muss mich auch entscheiden. Und wenn ich mit dem Thema Multioptionalität in die Wirklichkeit hinausgehe, wenn ich alles versprochen bekomme durch die Gesellschaft, dann ist natürlich die Entscheidung für eine Sache immer auch eine Reduzierung und immer ein weniger. Wir kommen auf der anderen Seite zugleich auch in eine besinnungslose Betriebsamkeit hinein. Durch die digitale Allmacht, wo im Grunde die Dinge nicht mehr analog hintereinander, sondern digital, in einer digitalen Komplexität auch befeuert werden, komme ich in so etwas wie eine besinnungslose Betriebsamkeit. Das dreht eigentlich dieses Hamsterrad, was schon vorher auch immer wieder Thema gewesen ist, nochmal mehr durch. Und diese digitale Allmacht, diese besinnungslose Betriebsamkeit, die ist natürlich durch die ganzen digitalen Versprechungen auch nochmal mehr befeuert worden. Dort kommen wir gleich aber nochmal zu. Am Ende kommen Menschen von diesem Gefühl, ich habe eigentlich alles im Griff, ich habe alles unter Kontrolle, natürlich im Erleben, im Alltag in unglaubliche Ohnmachtsgefühle hinein und in so etwas wie Mutlosigkeit, wenn sie merken, das ist eben doch nicht so. Und diese Spanne von den einzelnen Aspekten, die begleiten uns in dieser gesellschaftlichen Situation. Die sind immer noch auch wirksam, aber wir haben durch die Corona-Pandemie natürlich auch so etwas wie, ja nicht nur eine physiologische Kränkung, sondern eine psychologische Kränkung auch erlebt. Wir haben gemerkt, so weit ist es nicht her mit der Selbstwirksamkeit und mit der Kontrolle. Da kommt so ein kleines Virus daher und erstmal ist alles lahmgelegt und alle Selbstverständlichkeiten unseres Alltags brechen weg. Das heißt, wir sind eigentlich durch die Krisenpermanenz in so etwas wie in einen seelischen Balanceakt gekommen. Angefangen mit der Corona-Pandemie, draufgesattelt der Ukraine-Krieg, dann im Grunde der Nahostkonflikt, die Inflation, die Klimakrise, die natürlich auch schon vorab auch Thema gewesen ist. All das bringt die Menschen in einen seelischen Balanceakt. Es ist eine sehr unsichere Zeit, die Krisenpermanenz, die Menschen haben das Gefühl, die eine Krise ist im Grunde nicht vorbei, da sattelt die andere schon drauf. Wir versuchen mit den Krisen auch zu leben. Wir haben es letztendlich auch geschafft, mit den Krisen zu leben. Das ist eigentlich auch ein positiver Aspekt. Also jetzt im Zusammenhang auch beispielsweise mit Resilienz, da forsche ich auch sehr viel, dass wir auch mitbekommen haben, wir können auch durch Krisen hindurchgehen, aber nichtsdestotrotz bleibt bei den Menschen so ein Gefühl, es ist enorm anstrengend, es ist enorm unsicher, und ich weiß nicht, wohin sich die allgemeine Weltlage und die politische Lage, ökologische Themen, wohin sich das alles bewegt. Und was in den letzten Jahren noch mehr hinzugekommen ist, dass das auch in den Alltag der Menschen wirklich Einzug gehalten hat und dass die Menschen diese Unsicherheit einfach auch sehr stark in ihrem eigenen Alltag merken. Allen voran auch einfach, dass sie das Gefühl haben, kann ich eigentlich mein Leben so, wie ich es bisher gelebt habe, weiterleben, kann ich das überhaupt noch finanziert bekommen? Wozu führt das? Das führt dazu, dass die Menschen sich sehr zurückziehen, dass sie in einen Rückzug zu halten kommen. Im Rheingold-Institut haben wir den Begriff des Rückzugs ins Schneckenhaus sehr geprägt. Das heißt, die Umkehr eigentlich von der Welt da draußen und das passt natürlich wunderbar auch zu dem Thema Homeoffice. Hier scheint alles sicher, hier bin ich in meinem vertrauten Heim und die Welt da draußen, die ist unsicher, da lauern Gefahren sozusagen. Und wo finden die Menschen so etwas wie Zuversicht? Das finden sie eher im Privaten. Warum habe ich Ihnen das alles erzählt, bevor wir überhaupt auf das Thema Homeoffice kommen? Weil das natürlich der Nährboden ist für das Phänomen des Umgangs mit dem Thema Homeoffice, den Umgang mit dem Thema hybrides Arbeiten. Das heißt, das sind alles Implikationen, die wichtig sind, die wir bedenken müssen, oder was Implikationen hat auf die Bedürfnisse von den Beschäftigten und insbesondere natürlich auf das Thema Homeoffice. Und wenn wir uns das Thema New Work anschauen, dann ist das natürlich eine unglaubliche Transformation. New Work, ist viel mehr als, ich arbeite einfach mal von zu Hause aus. Das heißt, es ist ein radikaler Umbruch in der Arbeitswelt. Und das macht man sich oftmals gar nicht so klar, dass das eine unglaubliche Entlastung ist, eine große Chance. Aber auch eine seelische Arbeit, die geleistet werden muss. Ich kann es gerne weitermachen, dann erzähle ich nämlich direkt was darüber. Wenn wir uns nämlich mal überlegen, was heißt überhaupt Arbeiten? Arbeiten ist ja weit mehr als reiner Broterwerb. Also was sind im Grunde die Grunddimension? Was ist die Psychologie der Arbeit? Da geht es erst einmal darum, eine Sicherheit und Wertschätzung zu bekommen. Das ist natürlich erst einmal auch monetär. Das heißt, man ist im Broterwerb. Das heißt, ich arbeite nicht umsonst. Ich möchte entlohnt werden. Aber es geht über die monetäre Entlohnung hinaus. Das heißt, ganz wichtig und ganz eng damit verbunden sind eigentlich im Umkehrschluss auch Bindungsfaktoren. Also was bindet eigentlich Menschen an die Arbeit? Menschen bindet an die Arbeit, wenn sie das Gefühl haben, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Und im Zusammenhang mit Homeoffice ist es ja oftmals auch dann Thema. Habe ich noch einen Schreibtisch? Muss ich meinen Schreibtisch mit anderen teilen? Habe ich dann noch meine Kollegen, die ich jeden Tag sehe? Wie ist das mit der Kantine? All das, was uns so ein vertrautes Umfeld gibt, das ist natürlich extrem wichtig. Und ein Schreibtisch alleine macht aber im Grunde diese Sicherheit natürlich nicht aus. Das heißt, ich muss das Gefühl haben, es macht einen Unterschied für dieses Unternehmen, ob ich da arbeite oder nicht arbeite. Und gerade im Zusammenhang mit Digitalisierung werden hier natürlich sehr, sehr große Ängste auch geschürt. Es wird die Angst geschürt, dass ich überflüssig werde und dass ich ersetzt werde. Und dem muss natürlich dann entgegengearbeitet werden. Und das wird nochmals gesteigert in dem Sinne, dass es so etwas braucht, eine sinnstiftende Berufung. Also, was ich eben schon sagte, mehr als Broterwerb. Wenn ich das Gefühl habe, es wird oftmals vom Purpose gesprochen, von etwas Sinngebenden, Sinnstiftenden. Wenn ich das Gefühl habe, ich bin Teil dieses sinnstiftenden Unternehmens, ist das ein enormer Bindungsfaktor. Und der von den Beschäftigten noch mal höher gerankt wird als das Einkommen. Es muss aber auch ins Leben passen. Also eine Lebenssystemkompatibilität muss gegeben werden. Das ist durch die Corona-Pandemie natürlich noch mal viel verstärkt worden. Das heißt, da haben sich ganze Lebenssysteme verändert. Menschen haben sich Hunde angeschafft. Menschen sind aufs Land gezogen. Menschen sind in andere Städte gezogen. Es wird davon erzählt, dass die Kinder nachmittags irgendwelche Sportvereine besuchen, wo man die Kinder hinbringen muss und wieder abholen muss. All das ist im Grunde mit der Arbeit verzahnt worden. Und somit hat sich das Lebenssystem sehr über das Arbeitssystem hin drüber gestülpt, beziehungsweise es ist eigentlich ineinandergeflossen. Und da werden wir später auch noch mal darüber sprechen, dass diese unterschiedlichen Verfassungen, Arbeitsverfassungen und private Verfassungen hier viel mehr ineinander übergehen. Aber das ist auch wirklich mit ganz konkreten Änderungen im Leben verbunden gewesen. Also das habe ich von vielen Unternehmen gehört, dass nach der Pandemie, wenn er wieder zurückgeholt werden wollte ins Unternehmen, dass dann gesagt wurde, ja kann ich denn jetzt meinen Hund mitbringen. Das heißt, es ist wirklich auch verändert worden. Wenn wir zufrieden und gesund in einem Unternehmen arbeiten wollen, brauchen wir etwas wie Aufstiegsperspektiven. Das muss gegeben sein durch eine gute Mitarbeiterführung, durch Gespräche, durch Möglichkeiten im Unternehmen aufzusteigen. Aber diese Ausstiegsperspektiven alleine sind zu kurz gedacht. Denn was Mitarbeitende noch mal stärker bindet oder darüber hinaus auch noch bindet, sind Entwicklungsanforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Und es wird eben wieder gesagt, wenn die Mitarbeitenden das Gefühl haben, dass der Arbeitgeber auch daran interessiert ist, dass ich mich persönlich weiterentwickele, dann ist das ein ganz großer und starker Bindungsfaktor. Last but not least, Meisterschaft und Werkstolz. Am Ende des Tages, am Ende einer Woche, eines Projektes, brauche ich das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Und da verrate ich jetzt nicht zu viel, wenn ich sage, dass das natürlich im Zusammenhang mit dem Arbeiten im Homeoffice und mit der Digitalisierung manchmal etwas schwieriger auch zu bewerkstelligen ist, beziehungsweise auch zu erleben ist, als es früher war. Das heißt, am Ende eines Tages, nach dem Bearbeiteten von 10.000 Mails und nur einem Teilaspekt eines Projektes, ist es oftmals schwierig, weil die Liste eben noch nicht abgearbeitet ist, zu sagen, oh, was habe ich denn heute eigentlich geschafft? Und die Frage ist natürlich auch, wer sieht das? Wer sieht das, wenn ich bei mir im Kämmerchen sitze und meine Arbeit leiste? Wo ist die Bühne, wo ich das auch zeigen kann, was ich früher im Unternehmen hatte? Oder aber auch beispielsweise nochmal mehr bei Präsentationen oder in der Kantine, wenn wir gemeinsam zu Mittagessen gegessen haben und das erzählt haben. Das heißt, es braucht auch für das Geleistete so etwas wie eine Bühne. Es muss gefeiert werden und es muss vor allen Dingen auch gesehen werden.

Susan Hinterding: Wenn ich da kurz reingehen darf, das ist etwas, was mir bei dieser Studie immer durch den Kopf gegangen ist. Wie wir denn eigentlich Leistung definieren? Das ist in dieser veränderten Arbeitswelt, die wir gerade erleben, auch nochmal die Frage, wollen wir Leistung darüber definieren, dass jemand acht Stunden an einem Platz sitzt? Oder machen wir das über Arbeitspakete? Und dann ist die Frage, wann ist denn genug? Also im Sinne von, sind dann fünf Pakete viel oder sind es zehn? Oder hört es nie auf? Und eigentlich müssten wir an der Stelle uns die Frage stellen, wie wir Leistung in dieser Arbeitswelt definieren wollen.

Birgit Langebartels: Und das ist ein total spannender Punkt, weil es ist ja auch andererseits ein Trugschluss, dass wenn wir früher acht Stunden im Office gewesen wären, dass wir acht Stunden am Stück gearbeitet haben. Nur dann hatten wir ein anderes Gefühl. Dann sind wir im Unternehmen rauf und runter gelaufen, haben einen Plausch an der Tür gehalten, an der Kaffeemaschine uns kurz getroffen, hatten Meetings, die länger gedauert haben, als sie vielleicht auch heute dauern, wenn wir sie online machen. Und weil wir mit den Kolleginnen und Kollegen noch gesprochen haben. Aber am Ende des Tages, natürlich jetzt auch nicht in jedem Job, aber hatte man nochmal mehr das Gefühl, ja, das war jetzt heute mein Arbeitstag. Und die Frage stellt sich natürlich nochmal ganz anders, wo hört die Arbeit auf und wo endet sie? Oder ist es beispielsweise auch, wenn ich mittags einen Spaziergang mache, mir aber da über ein paar Probleme nochmal klarer werde und Lösungen finde darüber. Das ist ganz wichtig, das auch nochmal in die Führungskultur zu verankern.

Susan Hinterding: Und wir erleben das ja auch mit den Studierenden, auch in Zeiten des Lockdowns, dass die Fahrten mit der Bahn weggefallen sind und manchmal gehörte die Bahnfahrt schon dazu, dass man sagt, man studiert jetzt, man hat heute was geleistet und dann fiel das auf einmal weg. Und die Frage ist, wie macht man den Studienerfolg messbar?

Birgit Langebartels: Oder auch wenn du Kundentermine hattest. Das war in dem Sinne zwar dann die Fahrzeit, aber es war trotzdem erlebte Arbeitszeit. Die hast du heute dann in dem Sinne nicht mehr. Und wie ist das mit denen, die ein Meeting hinter dem anderen haben? Manche machen auch parallele Meetings. Und wir brauchen diese Dehnungsfugen oder das Seelische braucht diese Dehnungsfugen, die man früher hatte in dem Arbeitsweg, in der Fahrt zur Präsentation, zum Kunden, zum Kick-off. Die hat man heute nicht mehr.

Susan Hinterding: Das heißt, Dehnungsfugen sind für dich an der Stelle diese Übergänge? Von der einen Verfassung in die andere reinzukommen, dass ich in der Bahnfahrt merke, ich kann das eine hinter mir lassen und komme in das andere rein.

Birgit Langebartels: Genau. Der Blick aus dem Fenster in der Bahn oder auch ins Handy. Aber das ist natürlich dann auch eine andere Verfassung der Dehnungsfugen. Aber das ist wirklich nicht dieses Digitale. Das ist ja eigentlich schon nicht mehr ein Hintereinander, sondern oftmals ein Übereinander. Dann gehen wir mal weiter. Warum eigentlich Homeoffice-Lüge? Ja, weil wir sind da einem Versprechen aufgesessen. Einer Entfesselung, einer seelischen und auch körperlichen Entfesselung. Wir hatten das Gefühl, ich bin hier zu Hause mein eigener Herr, meine eigene Frau. Ich bin vollkommen frei. Ich kann mich in meinen vertrauten vier Wänden bewegen. Ich habe eigentlich so etwas wie eine Allmacht zurückgewonnen. Und das, was ich eben schon sagte, diese Vergleichzeitigung. Wir hatten ja das Gefühl, eigentlich auf einmal Raum und Zeit aushebeln zu können. Das heißt, parallel in mehreren Meetings zu sein, in einem Meeting zu sein und zugleich etwas anderes zu machen. In einem Meeting zu sein, was ich über Kopfhörer mitverfolge, zugleich aber zu kochen für die Kinder, was auch immer. Das heißt, auf einmal verdichtet es sich alles und wir hatten das Gefühl, ich kriege endlich alles hin. Ich kriege alles unter einen Hut. Viele Untersuchungen, die ich auch mit Working Moms gemacht habe, die sagten, anfangs hatte das Gefühl, es ist alles leichter, es geht alles besser. Ich kann die Kinder besser zum Kindergarten bringen und wieder abholen und zwischendurch mich um Hausaufgaben und so weiter kümmern. Und dann haben wir aber gemerkt, so einfach ist es eben nicht. Wir kriegen nicht alles unter einen Hut. Wir kriegen auch nicht diese sehr unterschiedlichen Verfassungen, diese Arbeitsverfassung und diese private Verfassung zusammen. Das sind Verfassungen, die nicht gleich sind. Und wir hatten gedacht, wir können, wenn wir von zu Hause aus arbeiten, effizient sein. Wir können gemeinsam Mittagessen mit dem Partner. Wir können die Kinder noch besser betreuen, zwischendurch eine Runde joggen gehen und mit dem Hund gehen. Und es erzählten sogar einige, sie hätten mehr Sex durch das Homeoffice. Und an diesem Beispiel merken wir schon, die Arbeitsverfassung und Sexverfassung, das widerspricht sich. Das heißt aber, wir hatten das Gefühl, wir kriegen hier alles unter. Und dann merken wir, das funktioniert nicht so. Also auf der einen Seite diese Verheißung, unglaublich effizient zu sein, zugleich aber zu kippen in eine Dekadenz. Also diese viel besprochene Jogginghose, nicht richtig in die Gänge zu kommen, total dekadent eigentlich den Arbeitsalltag dann zu leben. Das ließ sich so nicht halten. Und nach und nach haben die Menschen gemerkt, es ist auch etwas wie eine Vereinsamung. Im Rheingold-Institut wurde das betitelt als Long-Homid. Das heißt, wir haben nach einer Weile gemerkt, es ist eine Vereinsamung. Ich spreche kaum noch mit Menschen vis-à-vis. Ich bin nur noch mit mir und dem Rechner zusammen. Spreche dann nur mal zwischendurch mit den Kindern, mit dem Hund. Das heißt, es drohte hier auch so eine Vereinsamung, zugleich aber auch ein Burnout. Wann ist Arbeit genug? Wir haben gar nicht mehr gewusst, wann kann ich eigentlich den Rechner zuklappen? Wann kann ich aus dem Arbeitszimmer rausgehen? Wann kann ich den Rechner vom Küchentisch zuklappen oder weglegen? Wann ist es genug? Wann muss ich die letzten Mails lesen? Wann muss ich die ersten Mails lesen? Das heißt, wir hatten gar nicht mehr so ein Gefühl, wann ist genug gearbeitet? Und wann es ineinandergeflossen ist? Und auf der anderen Seite aber so etwas wie Verwahrlosung. Wir haben auch mit Führungskräften gesprochen. Und die haben gesagt, ich habe überhaupt gar keinen Zugriff mehr auf meine Mitarbeitenden. Ich habe zwei Monate einen Mitarbeiter nicht mehr erreicht. Das heißt, der wusste überhaupt nicht mehr, arbeitet der? Wo ist der? Das heißt, auch hier in so eine Arbeitsverfassung zu kommen, ist auch eine seelische Aufgabe. Und das ist das, was ich eben schon meinte. Wir haben oftmals schon von Gestaltung gesprochen. Aber wichtig ist mir trotzdem nochmal zu sagen, dass es eine seelische Arbeit ist, sich auf Betriebstemperatur zu bringen. Sie haben ja auch oftmals schon von Gestaltung gesprochen. Das heißt, ich muss selber in diese Arbeitsverfassung kommen. Ich muss das selber gestalten. Und das, was uns das auch so erleichtert hat oder was dazu gehört, worüber wir aber auch gemeckert haben, also der Arbeitsweg, die Fahrt mit dem Fahrrad im kalten oder schlechten Wetter, in der Bahn, das Stehen im Stau, fehlt uns dann. All das trägt natürlich dazu bei, dass sich eine Arbeitsverfassung auch ausgestaltet. Dass ich mich dementsprechend kleide, dass ich in ein Unternehmen reinkomme. Da riecht es anders als zu Hause. Da sehe ich andere Kolleginnen und Kollegen als Menschen, die ich zu Hause sehe. Und auch wenn oftmals dann über Kollegen manchmal auch gemeckert wird, aber sie gehören dazu, um dieses zu gestalten, diese Arbeitsverfassung. Wenn das wegfällt, muss ich das selber gestalten. Und da sind die Menschen ja auch sehr erfinderisch geworden und haben auch versucht, das natürlich in der einen oder anderen Art und Weise zu gestalten.

Susan Hinterding: Wenn ich da kurz nochmal dieses Beispiel aufgreifen, was du eben gehabt hast mit den Mitarbeitenden, den man nicht erreicht. Das ist ja in der heutigen Diskussion dann immer sowas wie der faule Arbeitnehmer, der mich austricksen möchte. Aber wir haben in der Studie ja sehr schön gesehen, dass es einigen Leuten auch wirklich nicht gut ging. Es ging nicht darum, dass man sich ein Freizeit-Yoga schafft, vier Stunden hintereinander und mit der Maus irgendwelche Tricks, damit man so aussieht, als wenn man am Rechner sitzt oder so. Das war gar nicht der Fall. Es ging den Leuten so richtig schlecht. Die haben das ja teilweise gar nicht selber bewerkstelligen können, dass diese ganzen Rahmen weggefallen sind.

Birgit Langebartels: Das war erst mal ganz schwierig. Und das ist auch nachher, wenn es darum geht, wie gestaltet man das eigentlich einfacher, was muss man als Führungskraft auch machen. Es braucht diesen Widerhall auch. Also wenn jemand beispielsweise gar keine Rückmeldung bekommt von einer Führungskraft ist das auch nachteilig, auch wenn es vielleicht aus dem Gefühl heraus passiert, das sie super arbeitet und alles andere wäre dann sonst wie Kontrolle. Aber auch das kann zu wenig sein. Das heißt, das kann dann in so etwas wie Bedeutungslosigkeit kippen oder die Angst vor Bedeutungslosigkeit. So nach dem Motto, ob ich jetzt hier arbeite oder nicht, das interessiert doch sowieso keinen. Und ich glaube, es sind zwei Aspekte nochmal wichtig. Ein Problem ist natürlich eine Überforderung, aber auch eine Unterforderung. Darüber wird weniger gesprochen, wenn sich Menschen langweilen in ihrem Job, wenn sie das Gefühl haben, ich habe eigentlich zu wenig oder zu sinnlose Tätigkeiten. Also es geht nicht nur um die Überforderung.

Susan Hinterding: Stimmt, aber die Unterforderung wäre tatsächlich etwas, was ich dann erlebe im Homeoffice oder nicht im Homeoffice. Oder?

Birgit Langebartels: Das stimmt. Aber wenn du natürlich nochmal weniger mitbekommst, du musst nochmal viel mehr am Mitarbeitenden dran sein und gucken, welcher Typus ist das? Wie viel Führung braucht der oder die? Und wenn jemand da sehr verunsichert ist, dann muss man auch eher bei den einzelnen Typen näher dran sein. Ich erzähle nochmal ganz kurz zu diesen einzelnen psychologischen Themen, die dabei auch virulent geworden sind. Menschen leisten anders und anderes im Homeoffice. Und das muss eigentlich auch berücksichtigt werden. Also allen voran steht dieses Versprechen dieser Entfesselung. Wir hatten das Gefühl, wirklich von einer sehr, sehr großen Autonomie. Dann merkten wir aber, dass im Grunde es auf einmal anfing, auch dass wir uns selber auch anfingen, so ein bisschen mit einem inneren Argwohn zu beäugen. Habe ich eigentlich genug getan? Wie viel müsste ich denn noch machen? Oder aber auch in die andere Richtung, in Richtung Selbstausbeutung. Also dass die Mitarbeitenden eigentlich keine Pause mehr gemacht haben. Eine Frau, die sagte auch mal, Homeoffice war die Zeit, wo ich verlernt habe, Pausen zu machen. Also wo man im Grunde gar nicht mehr aus dem Arbeitsrhythmus herausgekommen ist. Durch die Omnipräsenz, also durch die Digitalisierung und die Möglichkeit zu Hause parallel ganz viel anderes zu machen, kommt es zu einem Kampf widerstrebender Tendenzen. Das heißt, es geht gar nicht so sehr darum, dass es immer nur die Vorgesetzten sind oder die Kinder, die an die Tür klopfen oder Partner oder Partnerinnen, die was wollen von einem. Sondern es ist dem Seelischen immanent, dass es gierig ist, dass es sich in ganz viel verwandeln will. Ich möchte gut arbeiten oder ich möchte effizient arbeiten. Ich möchte zugleich aber auch für die Kinder da sein beispielsweise. Ich möchte für die Freundin, die sich während des Homeoffice auf einmal meldet und eine Sorge hat, auch ansprechbar sein. Und diese widerstrebenden Tendenzen, die Sie ja auch vom Sechseck her kennen, die sind alle in uns und die wollen alle zum Zuge kommen. Und das ist nochmal schwieriger auszuhandeln im Homeoffice, in dieser vermeintlichen Autonomie und Freiheit. Das heißt, wir haben im Homeoffice eigentlich auch gemerkt, wie autonom sind wir eigentlich. Also, dass wir oftmals doch vom Unbewussten viel mehr gesteuert werden, als uns eigentlich klar war. Die Selbstbezüglichkeit, die natürlich Thema im Homeoffice ist, dass ich viel mehr Zeit mit mir alleine verbringe, das kann auch sich zuspitzen in einer Angst vor Bedeutungsverlust. Dass ich das Gefühl habe, was macht es überhaupt noch für einen Sinn, hier für das Unternehmen zu arbeiten, was letztendlich auch zu einer Abkoppelung oder Entkoppelung vom Arbeitgeber führen kann. Und hier ist es natürlich ganz wichtig, als Führungskraft an den Mitarbeitern auf unterschiedliche Art und Weise, so wie die Mitarbeitenden auch ticken, auch dranzubleiben.

Susan Hinterding: Auch noch an der Stelle im Lockdown haben wir auch Kandidaten und Kandidatinnen gehabt, die im Homeoffice gemerkt haben, was denn im Alltag fehlt. Dass das diese Abkopplung nochmal verstärkt hat, wenn wir das Verhältnis Arbeit und Privatleben haben. Und dass wir hier Menschen gehabt haben, die im Prinzip gearbeitet haben zu Hause, aber zu Hause auch alleine waren und isoliert waren. Also es keine Familien gab, die haben sich dann umgedreht eigentlich vom Schreibtisch und haben dann Netflix angemacht oder VHS-Kurse in Hamburg. Das war ganz spannend. Wir hatten eine Frau aus NRW, die in Hamburg einen Cocktailkurs mitgemacht hat während der Lockdown-Zeit und dann aber gemerkt hat, irgendwie fehlt was. Und darüber dann gemerkt, die wollte auch dringend ins Büro zurück und das lieber heute als morgen. Die hat dann auch versucht, Urlaubsreisen, also im Ausland zu arbeiten, um diese Zeit zu überbrücken. Aber sie sagte, jeder nasskalte Winter ist mir lieber als das, was ich jetzt habe.

Birgit Langebartels: Das war eine sehr freiheitsliebende Frau. Und dass die dann merkt, ich brauche diese Anbindung, ich brauche die partielle Anbindung an Menschen, an ein Unternehmen.

Susan HInterding: Ja, und das ist auch nochmal diese Abkopplung, also auch eine Abkopplung zu merken oder eben eine Hinführung dazu, dass man sagt, es gibt hier ganz schön viele Entwicklungsthemen. Die merke ich im Alltag nicht, aber die kommen jetzt, die werden jetzt lauter.

Birgit Langebartels: Gut, aber Menschen gehen unterschiedlich damit um und das ist jetzt nochmal sehr prototypisch. Und kann jeder auch mal selber gucken, was ist man denn da so für ein Typus und wenn ich Vorträge darüber halte, über das Thema Homeoffice und mit den Typen, wenn ich die Typen beschreibe, da geht immer ein Raunen durch die Menge und jeder überlegt immer, welcher Typus er denn ist. Es sind psychologische Typisierungen, das heißt, Menschen können auch unterschiedliche Typen sein oder sich auch zu anderen Typen entwickeln oder Anteile davon haben und Anteile von etwas anderem haben. Es ist natürlich alles auf der Spanne zwischen Home und Office und die beiden Endpunkte, da haben wir die Privatiers auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Außendienstler. Die Privatiers, das sind diese Typen, wo sich das Private komplett über das Dienstliche stülpt, also die zum Handlanger des Privaten werden. Verstärkt, wenn man kleine Kinder hat, die im Grunde nicht Halt machen vor der Tür, vor der Bürotür zu Hause oder Arbeitszimmertür. Oftmals ist es auch nicht möglich, ein eigenes Zimmer zu haben. Aber eben auch, wenn man nicht Kinder hat, ist das ein Thema für Menschen, die im Grunde diese ganzen privaten Belange noch abarbeiten wollen. Und die natürlich irgendwann merken, ich werde dem Beruflichen eigentlich gar nicht mehr gerecht. Und wo das ständig in ein Rangieren dann auch kommt. Und diese Menschen, denen fällt es oftmals sehr schwer, wieder ins Office zu kommen, weil die ihr Leben darauf umgestrickt haben. Was ich eben meinte, mit dem Hund, mit den Kindern, die nachmittags irgendwo hingebracht werden müssen. Die haben sich sehr darin eingerichtet, dass das Arbeiten sehr lebenskompatibel geworden ist. Sie haben sich das sehr schön zurecht gebaut. Und die wollen natürlich überhaupt nicht ins Office zurück. Die muss man wieder mit einer gewissen Struktur zurück ins Office bringen. Und auch wenn die weiterhin sehr viel zu Hause arbeiten, ist das Beispiel auch ein Typus, der eine engere Führung auch braucht. Also wo man sich dann eher dann auch nochmal committen muss, dass ein bestimmtes Projekt, eine bestimmte Aufgabe dann am Tag oder nach zwei, drei Tagen erledigt sein muss. Und es eine Rückmeldung dann dazu gibt. Die auf der anderen Seite, das ist im Grunde das andere Extrem, die sind im Grunde nur auf der Office-Seite. Das heißt, die sind ständig im Dienst. Und die haben das Gefühl, als letztes in die E-Mails reinzugucken, bevor die Augen zugemacht werden. Und als erstes dann wieder die E-Mails zu checken. Und die haben eigentlich das Gefühl, sie können niemals außer Dienst sein und sind immer im Dienst. Und das wird aber oftmals von Führungskräften, von Arbeitgebenden, als eine unglaubliche Motivation missverstanden. Das entsteht aber oftmals aus einer sehr großen Unsicherheit, übersehen zu werden. Und dass die eigene Leistung nicht wertgeschätzt wird. Das, was wir eben hatten mit dem Werkstolz. Also dass im Grunde das, was ich schaffe, was ich leiste, dass das eigentlich gar nicht richtig präsent wird, dass das keine Bühne bekommt. Und dieser Typus, der muss im Grunde auch Pausen verordnet bekommen. Und am besten ist natürlich, wenn das Unternehmen das durch die Führungskräfte auch nochmal dementsprechend vorlebt. Dann haben wir die beiden mittleren Typen. Also die durchlässigen, das sind eigentlich oftmals die, die auch schon vor den Lockdowns viel von zu Hause aus gearbeitet haben. Die können das sehr kreativ verbinden, diese beiden Seiten. Die machen vormittags mal vier Stunden Pause und machen dann aber bis spät in die Nacht hinein ihre Arbeit. Oder arbeiten am Wochenende. Und die sind da sehr große Freigeister und wollen sich das überhaupt nicht vorschreiben lassen. Und die wollen eigentlich auch nicht wieder zurück ins Büro. Zumindest nicht, wenn es nicht sinnstiftend ist. Also die brauchen auch einen kreativen Anreiz oder einen sinnstiftenden Anreiz, um auch dann zurück ins Büro zu kommen. Und die Home-Offiziere, die kriegen das zusammen paradoxerweise, indem sie es ganz strikt trennen. Die sind sehr strukturiert. Da habe ich immer noch den einen Fall vor Augen, der morgens früh um acht in sein Arbeitszimmer geht. Mittags um halb eins kommt er ins Esszimmer, hat dann auch beschrieben, dass er dann in die Kantine geht. Woraufhin im Interview aber gefragt wurde, ich denke, Sie sind eigentlich im Homeoffice. Nein, nein, meine Frau hat dann gekocht. Das heißt, er geht dann in die Kantine, da isst er mit seiner Frau zusammen zum Mittag. Dann geht er wieder in sein Arbeitszimmer, kommt um fünf Uhr raus, geht eine Runde mit dem Hund. Das heißt, er kriegt das unglaublich strikt getrennt. Arbeit ist Arbeit und Privates ist Privates. Aber in diesem Typus fehlen die kreativen Störungen sozusagen. Also die Störungen, die beispielsweise in einem Büro auch oft, in dem der Kollege, die Kollegin mal kurz reinkommt, in dem er beim Mittagessen mal kurz was erzählt, in dem Dinge passieren, die so zwischen Tür und Angel passieren, die auf dem Weg zu einem Meeting passieren, die in einem ganz direkten Austausch passieren, an der Kaffeemaschine. Das fehlt diesem Homeoffice und der muss im Grunde wieder kreativ gestört werden in seiner strukturierten und strikten Trennung von den beiden Seiten.

Susan Hinterding: Ich kann mich sehr gut an diesen Fall erinnern, den wir in der Besprechung hatten. Und der war so wahnsinnig strukturiert, auch im Aussehen. Während alle anderen erzählten, dass sie tagelang mal nicht geduscht haben oder ungeschminkt, aber man riecht es ja nicht. Und wilde Haare hatten und das Privat sichtbar geworden ist. Oder man im Kinderzimmer saß, war das der Typus, der mit dem Anzug im Interview saß. Und die Störung, die du da meinst, der war aber auch manchmal so strikt, dass der so in eine falsche Richtung abdüsen konnte und dann in seiner Strukturiertheit da ganz autonom war und aber auch wirklich Bockmist machte. Das ist das auch nochmal, warum der kreativ gestört werden muss, wie ein Korrektiv auch. Und das ist bei den Durchlässigen ein bisschen anders, weil die da viel flexibler auch mit Themen umgehen können. Also es war bei den Home-Offizieren sehr zwanghaft teilweise.

Birgit Langebartels: Und da gibt es natürlich dann auch so Zwischentypen oder so Übergänge auch. Also einer erzählte beispielsweise auch, die wohnten in einem Haus mit einem kleinen Garten und der hat sich dann im Garten ein kleines Gartenhäuschen als Homeoffice eingerichtet. Und der meinte, für ihn sei das viel leichter, diese drei, vier Schritte in diese andere Verfassung zu gehen, dann auch die Arbeit beendet zu haben und zurückzukommen ins Private.

Susan Hinterding: Und du hattest dieses Beispiel mit der Mutter noch mit den Runden. Mit den Kindern.

Birgit Langebartels: Das war im Zusammenhang mit einer Mutter zum Thema Homeschooling. Die schickte die Kinder morgens mit dem Schulranzen einmal um den Block und dann kamen die zurück. Und dann wurde Homeschooling gemacht. Das heißt sozusagen, jetzt geht ihr den Schulweg und dann seid ihr in der Schularbeitsverfassung. Wir sehen an diesen extremen Beispielen, dass das Seelische solche Strukturierungshilfen, solche Gestaltungshilfen braucht.

Susan Hinterding: Ist das, was du eben mit den Dehnungsfugen meintest? Auch so diese Übergänge, die möglich werden zwischen der einen Verfassung, zwischen der anderen Verfassung.

Birgit Langebartels: Ja und hier finde ich es nochmal stärker eine Gestaltungshilfe. Also, wie komme ich in die Arbeitsverfassung hinein? Indem ich mich dann doch mal schminke und richtig anziehe. Ich habe auch eine große Studie gemacht zu Jugend in Corona-Zeiten. Also, dass die am Anfang zum Teil viele Jugendliche, nachdem sie sich erstmal gefreut hatten, Corona-Ferien sozusagen, in ein Loch fielen, weil es überhaupt keine Struktur gab. Und wo die erzählen, ich bin aus dem Bett nicht mehr rausgekommen. Und dann nach und nach aber eigene Strategien entwickelt haben und sich selber eine Struktur erarbeitet haben oder zurückerobert haben.

Susan Hinterding: Ist natürlich nicht allen gelungen in der Zeit. Und die haben dann auch stark darunter gelitten.

Birgit Langebartels: Aber viele sind auch über sich hinausgewachsen. Und ich finde, das wird manchmal vergessen. Aber das ist ein anderes Thema mit den Jugendlichen und der Corona-Pandemie, ganz viel haben die geschafft und haben die ganz toll entwickelt. Aber meines Erachtens wurde das unzureichend aufgegriffen danach. Was heißt das jetzt? Was empfiehlt man Unternehmen, die alle mit dem Thema Homeoffice arbeiten, zu Hause arbeiten, im Unternehmen zu tun haben? Und das ist ja heute nochmal anders als zu Zeiten des Lockdowns. Wir haben kein Arbeiten im Homeoffice, sondern wir haben ein hybrides Arbeiten. Das heißt, das Seelische muss diese Wechselfreudigkeit etablieren, muss das lernen. Ich muss mal im Homeoffice, mal im Office, mal dazwischen arbeiten können. Und diese Wechselfähigkeit, diese Hybriditätskompetenz, die muss eingeübt werden. Was braucht es aber? Es braucht etwas wie eine psychologische Sicherheit. Wir haben am Anfang gesagt, es ist im Grunde wirklich ein Bruch in der Arbeitswelt. Es sind alle Selbstverständlichkeiten weggebrochen. Wir haben ganz viele Strukturen aufgeben müssen. Und da braucht es etwas Neues. Und das hat, auch neben der ganzen Freiheit, die dabei gespürt wurde, zu großer Verunsicherung geführt. Also es braucht sichtbare und spürbare Führung, auch auf Distanz. Und hier braucht es Raum und Zeit, auch über Probleme zu sprechen. Das Homeoffice, das muss reglementiert und kultiviert werden. Also hier muss das New Work auch räumlich gestaltet werden. Auch zu Hause, indem man es sich einrichtet. Das ist für die einen natürlich leichter, für die anderen etwas schwieriger, je nach räumlichen Bedingungen. Aber auch im Office. Wir haben oftmals gehört, wenn die Mitarbeitenden wieder ins Office kommen, wir können nicht wie vorher mit drei, vier Leuten in einem Büro sitzen und alle machen gleichzeitig irgendwelche digitalen Meetings. Das geht nicht mehr. Das heißt, es muss das New Work sowohl zu Hause als auch im Office räumlich gestaltet werden. Das erleichtert das Arbeiten. Die Erwartungen müssen geklärt werden, transparent und klar. Und hier sollte ein durchlässiger Arbeitsplan für das Team entwickelt werden. Aber hier auch oftmals reziprok. Das heißt, sowohl Mitarbeiter als auch die Führungskraft. Man muss sich selbst steuern lernen. Also Angebote von Selbstmanagement-Techniken. Das, was wir gerade ganz dezidiert besprochen haben, das Private und das Dienstliche zu managen. Also hier braucht es ein effektives Zeitmanagement. Und eine persönliche Nähe auch auf Distanz. Und das ist das, was schon Thema war. Es kann nicht sein, dass ich zwei Monate mit den Mitarbeitenden nicht mehr spreche. Und hier ist es wichtig zu schauen, was für einen Weg suche ich, um an den Mitarbeitenden dranzubleiben. Ist es vielleicht ein Teams-Call? Dann ist es aber vielleicht bei einer anderen Kollegin der Telefonanruf. Das heißt, hier geht es wirklich, eine persönliche Nähe herzustellen, auch auf Distanz. Auch wenn man sich nicht im Office sieht. Das ist das, was ich eben schon sagte. Wir müssen diese Hybriditätskompetenz einüben. Wir müssen mit verschiedenen Tools arbeiten. Und da sehen wir ja, selbst nach Jahren werden wir da immer wieder auch vor  gestellt. Aber das müssen wir einüben und aus Fehlern lernen. Und wir müssen auch oder sollten, das ist meine Empfehlung wieder Präsenztermine etablieren.

Susan Hinterding: Vielleicht noch an der Stelle, da merke ich gerade auch bei der jungen Generation momentan so ein bisschen Zögerlichkeiten in Bezug auf Digitalität und auch auf die Einübung. Also weil man so überdrüssig ist, weil so viele Themen gerade parallel sind. Aber das wird einfach nicht wegdenkbar sein. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir nicht nur diese Hybriditätskompetenz, sondern auch die digitale Kompetenz stärken und ausbauen.

Birgit Langebartels: Genau, das ist Teil dessen, dass wir wirklich auch das einüben, damit umzugehen. Das gibt uns eine Sicherheit. Das heißt, das müssen wir wirklich auch ganz praktisch einüben. Ich hatte eben von der Bühne gesprochen, von dem, dass wir uns feiern müssen, dass wir das zeigen müssen, was wir geleistet haben. Dass wir aber auch als Arbeitgeber, als Führungskraft diese Bühne bieten sollen. Und also das gilt in beide Richtungen. Also sich diese Bühne zu nehmen, die Bühne zu nutzen, aber auch eine Möglichkeit erstmal anzubieten, dass man von dem Geleisteten neben allen anderen Themen, neben Schwierigkeiten und allem, aber auch das, was wirklich geschafft wurde, was als Team geschafft wurde, was auch als Einzelperson geschafft wurde, das präsentieren zu können. Du hattest am Anfang von Kontrollverlust gesprochen. Das ist ein ganz großes Thema. Kontrollverlust, erstmal denken wir an die Führungskräfte. Die verlieren die Kontrolle über ihre Mitarbeitenden. Die sind nur faul, sind die überhaupt zu Hause, was machen die überhaupt in der Zeit? Vorher da bin ich immer einmal an den Büros vorbeigegangen, da konnte ich immer sehen, ob die was tun. Also hier eine Sorge, eine ganz große Sorge, Kontrolle zu verlieren. Aber es braucht meines Erachtens kein blindes Vertrauen, sondern kluges Vertrauen. Und auch zu schauen, wer braucht hier wie viel Führung oder wie viel Blick auf das Geleistete oder auf das, was zu leisten ist. Und das muss im Grunde je nach Mitarbeitenden angepasst werden. Die Arbeitslast muss im Blick gehalten werden. Thema eben schon Unter- aber auch keine Überforderung. Und hier eine Dehnungsfuge gegen digitale Verdichtung etablieren. Das hat sich schon in den letzten Jahren verändert, dass die digitalen Meetings 50 Minuten dann auch manchmal sind, damit man eben diese 10 Minuten hat. Einige Firmen, die haben das etabliert und die haben auch beispielsweise etabliert, dass nach 20 Uhr keine E-Mails mehr verschickt werden. Und das ist meines Erachtens wirklich wichtig. Nicht, dass man das nicht auch mal darf, aber dass man ein Zeichen setzt und sagt, es muss nicht permanent bis zur Erschöpfung gearbeitet werden.

Susan Hinterding: Das heißt aber eben an der Stelle auch wirklich das Thema Leistung klar definiert zu haben oder zumindest im Blick zu haben.

Birgit Langebartel: Genau. Was heißt Leistung? Was muss geleistet werden? Wann muss was auch geschafft sein? Das machen wir teilweise durch auch sowas wie Journaling-Angebote, wo wir uns das mittlerweile selber deutlich machen. Was haben wir heute geleistet?

Susan Hinterding: Da haben wir ganz viele, also jetzt nicht nur von Unternehmerseite, sondern auch von Arbeitnehmendenseite, Möglichkeiten das zu machen und suchen das auch. Was ja da drin steckt, ist diese Not oder das Bedürfnis danach, sich das wieder vor Augen zu führen. Was habe ich heute gemacht? Worauf kann ich stolz sein? Was sind meine To-Do´s? Was habe ich abgearbeitet? Was muss noch erledigt werden? Dass das sichtbarer wird wieder.

Birgit Langebartels: Genau. Es braucht eine große Transparenz und Planbarkeit. Wir müssen wissen, wer ist wann auch wo erreichbar. Das gilt für Mitarbeitende, das gilt aber auch für die Führungskräfte. Wenn ich als Mitarbeitende nicht weiß, wo ist Chef oder Chefin denn dauernd unterwegs, das gibt auch ein sehr schlechtes Arbeitsklima. Das heißt, das auch in beide Richtungen. Da ist ein Beispiel ganz kurz für ein Onboarding auch beispielsweise sehr wichtig. Also, das ist auch bei einigen Unternehmen, mit denen ich gearbeitet habe, ein Thema gewesen. Wie machen wir das mit neuen Azubis und mit neuen Mitarbeitenden, die anfangen? Da ist es sehr wichtig, dass man dann auch für die eine Transparenz, Planbarkeit und eine Präsenz hat. Dass man dann sagt, in der Zeit des Onboardings, da ist man dann auch eher mal vor Ort als Führungskraft und auch als Team.

Susan Hinterding: Was ich hier noch ergänzen möchte, ist, dass Transparenz ja nicht heißt, dass es dann Bedingungen gibt, die für alle gleich sind. Es gibt nun mal einfach Menschen, die in Arbeitskontexten wahnsinnig gerne gesagt bekommen, was sie wann machen müssen. Und dann gibt es andere, die sehr viel freigeistiger unterwegs sind. Und das muss offengelegt werden, dass es auch nicht mit so einer Wertigkeit einhergeht. Man sollte klar machen, was braucht wer und wie. Und das klar kommuniziert. Da sind wir bei dem nächsten Thema, was sind das für Unstimmigkeiten, die in Teams entstehen können.

Birgit Langebartels: Wer braucht was, aber was es trotzdem nicht sein sollte, nur so ein Wünsch dir was. Sondern es muss immer auch geguckt werden, was passt zum Unternehmen, was passt zu der Art der Arbeit. Und wir selber kennen das alle. Wenn ich eine bestimmte Art der Arbeit zu erledigen habe, ist es mal besser, das im Office zu machen. Und es ist mal besser, das auch zu Hause in Ruhe zu machen. Also, zusammengefasst. Wir haben einen nicht umkehrbaren Digitalisierungsschub. Gott sei Dank, können wir sagen. Und zugleich müssen wir aber auch damit arbeiten. Wir sind in Rhythmusstörungen gekommen, eigentlich dadurch, dass wir eben nicht morgens uns aufmachen zur Arbeit und zurückkommen. Das heißt, das hat uns durcheinandergebracht und das müssen wir handhaben können. Und es besteht die Gefahr von Long-Homid mit, wenn wir uns im Grunde aus diesem Kuscheligen zu Hause, aus diesem Engen dann auch nicht mehr heraus bewegen. Wir sind diesem Entfesselungsversprechen aufgesetzt. Das ist die Homeoffice-Lüge, weil wir konnten eben da doch nicht alles unterbringen, was das Seelische alles werden will, wohin es sich verwandeln möchte. Diese Selbstregulierung, die bedingt innere und auch äußere Konflikte. Das heißt, wir haben da selber auch mit zu tun. Wir müssen selber auch aufpassen, dass wir uns nicht ein Schnippchen schlagen. Es fallen aber auch jahrzehntelange analoge Riten weg. Das heißt, wenn wir zu einem Kunden fahren, dass man abends noch gemeinsam essen geht, wenn wir die Mittagspause mit den Kolleginnen und Kollegen miteinander verbringen. Das heißt, da muss irgendetwas anderes auch kommen. Und es ist eine unglaubliche Gestaltungsaufgabe für das Seelische, in diese Arbeitsverfassung zu kommen. Es geht darum, gesehen zu werden statt einer Sichtbarkeitsdemonstration. Das, was du eben sagtest, Susan, dass man nicht den Cursor ab und zu bewegt, dass die anderen denken, man arbeitet doch. Andererseits sagten die Menschen aber auch zum Teil, wenn ich dann gerade mal zum Kühlschrank gegangen bin oder zur, dann bin ich angeteamst worden. Und nachher denken die, ich arbeite überhaupt nicht.

Susan Hinterding: Das heißt, davon muss man sich etwas entfernen. Und im Umkehrschluss heißt es auch nicht, dass man an einem Platz im Büro sitzt, das Thema Sichtbarkeitsdemonstration, dass das bedeutet, dass man jetzt besonders effektiv und leistungsstark war.

Birgit Langebartels: Und auch nicht, dass die Leute, die im Office sind, mehr arbeiten oder weniger arbeiten, wie auch immer, als die anderen. Und dürfen nicht nur die mit Informationen versorgt werden, die im Office sind, sondern dann müssen auch Tools verwendet werden, damit alle an die gleichen Informationen kommen. Wir wollen stolz auf unser Werk sein. Es braucht so etwas wie einen sinnstiftenden Gemeinsinn, also neben Teams auch noch das Gefühl, ein Team zu sein. Es braucht ideelle Bindungsangebote und aber auch Verpflichtungen. Und was ich am Anfang gesagt habe, dass da ja oftmals auch eine Angst gerade im Zusammenhang mit der Digitalisierung einhergeht, dass ich ersetzt werde, dass ich nicht hinterherkomme mit dem Digitalen, dass ich das alles nicht verstehe. Hier ist es wichtig, dass die Menschen das Gefühl haben, das Digitale schmiegt sich ans Menschliche an und nicht umgekehrt. Also, dass das nicht zu einer Digitalisierungsknechtschaft wird. Und es braucht individualisierte Leitplanken.

Susan Hinterding: Abschließend kann man sagen, generell haben wir gemerkt über die Studie, da ist etwas zusammengefallen, das Privat- und Arbeitsleben. Ich stelle hier an der Stelle gerne die Frage, wie viel Privatleben ist ohne Arbeitsleben möglich oder umgekehrt. Also, wir sind eigentlich immer in Verhandlungen drin und auch schon vor Corona haben wir diese Diskussion durch Kicker, Feel-Good-Manager, Mateteekühlschränke geführt, wo es immer darum ging, wie viel Privatleben müssen wir ins Arbeitsleben bringen, damit alle happy sind. Und es ist eine uralte Diskussion, die wir hier führen und die auch noch lange nicht ausgehandelt ist und durch das Digital jetzt einfach nochmal einen ganz neuen, mit Corona, aber auch durch die Digitalisierung und auch jetzt durch KI nochmal ein komplett neues Thema und auch eine neue Rasanz erfahren wird. Das heißt, wir haben immer wieder so ein Durcheinanderwirbeln von Rahmenbedingungen, von Regeln, von Strukturen, die wir entwickeln müssen und die immer wieder neues, notwendiges Umdenken brauchen. Das erschöpft alle Bereiche. Das ist sehr herausfordernd. Das ist ein tolles Feld für uns als Wirtschaftspsychologen, um da irgendwie zu unterstützen und auch zu helfen. Ich habe in der Immobilienwirtschaft auch mal Forschungsmethoden unterrichtet, da nehme ich das Thema total gern mit, weil es ja auch selbst Impact darauf hat, wie groß müssen Büros sein, wie klein. Wir haben schöne Abschlussarbeiten zum Thema Desk-Sharing, da hast du auch eben gesagt, dass du Unternehmen auch berätst, um einfach zu sagen, okay, was bedeutet der Arbeitsplatz auch als Physisches? Also so wie, wenn ich ein Desk-Sharing-Büro habe, wo muss ich mein Handtuch hinlegen, um mich heimisch zu fühlen oder auch noch Platz zu haben an einem Ort? Also das sind alles so Fragen, die damit mitbewegt werden und die werden an komischen Entitäten festgemacht, wie ein Kalender oder keine Pflanzen? Ja. Solche Geschichten. Wir müssen die grundlegenden Fragen klären, die während der Corona-Phase und auch immer wieder aufkommen, wenn es unruhig wird. Wie will ich überhaupt leben? Wie funktioniert meine Beziehung gerade? Habe ich überhaupt eine Beziehung wie mein soziales Leben als solches? Wer macht eigentlich wie viel zu Hause? Das wurde da Thema. Leben wir eigentlich an der Stelle die optimale Aufteilung? Muss ich was Neues integrieren? Jedes Mal, wenn wir in so Bewegungen sind, stellt sich die Frage, bin ich am richtigen Ort, mit dem richtigen Partner, in der richtigen Wohnung, in der richtigen Stadt etc. pp. Stellt sich die Frage, was man noch will, was man auch nicht mehr will, was auch fehlt. Das wird durch solche Umbrüche auch immer wieder deutlich. Stellt sich die Frage, wie viel Freiheit will ich? Wie autonom kann ich sein? Also ein ganz banales Beispiel, ich bin ein extrem autonomer Mensch. Immer wenn es zu fest wird, ist mir das Thema Sicherheit im Arbeitsleben nicht so wichtig. Ich würde eher kündigen, als meine Autonomie aufzugeben. Also da verhandeln wir das auch nochmal sehr unterschiedlich. Und das, was dann über dem Ganzen schwebt, wie gut bin ich im Gestalten? Also kann ich das selber gut gestalten? Oder werde ich gestaltet und werde ich auch gerne gestaltet? Das kann auch einfach sein. Das ist auch einfacher, wenn jemand für mich diese Form von Entscheidung trifft. Das heißt, wir suchen nach diesen Gestaltungsspielräumen, die wir im Alltag versuchen unterzubringen, die wir auch in Verfasstheiten versuchen zu bringen. Gleichzeitig wollen wir nicht unsere Annehmlichkeiten verlieren, egal welchen Charakters die sind. Also die müssen uns einen seelischen Zugewinn versprechen. Wir haben immer die Gefahr, dass wir in Überforderungen reinkommen. Auch gerade wenn man zum Beispiel stark mit Arbeit identifiziert ist, dann ist das erst recht ein Problem. Und eine ganz große Herausforderung in diesen Remote-Arbeitsverhältnissen, und das kriegen wir gerade auch viel mit in den Diskussionen. Wie stark bin ich an ein Unternehmen angebunden? Oder wie isoliert fühle ich mich auch? Und wir erleben das immer wieder, dass es in den Diskussionen auftaucht, wenn die Regeln zu strikt werden, zu streng, wenn wir zu stark in konservative Verhältnisse zurück wollen. Und High Potentials eher gehen, weil sie dann doch eher stärker mitgestalten wollen. Zumindest ist das eine Form der Diskussion, die bei dem Thema geführt wird. Lasst uns die verbleibende Zeit einfach nutzen, um hier auch nochmal die Diskussion zu öffnen. Und mich würde mal so interessieren, wie ihr darüber denkt oder was euch da so begegnet, welche Erfahrungen ihr da gemacht habt. Vielleicht kommen da an der Stelle auch noch Fragen.

Amina Humpatin: Erstmal danke. Ich fand es mega interessant, vor allem mit der praktischen Anwendung des Hexagramms. Wir sind gerade am Anfang noch. Und ja, also einfach zu sehen, wie das in der Praxis angewendet werden kann. Und was ich überraschend fand, ist, dass von den ProbandInnen eher weniger rüberkam von wegen irgendwas mit Konzentrationsschwierigkeiten oder sowas. Also für mich und auch für mein Umfeld hatte ich das Gefühl, ich war da noch in der Schule, dass irgendwie voll das große Ding war, sich nicht konzentrieren zu können. Und dann habe ich mir so gedacht, zu welchen der vier Typen passt es vielleicht am besten. Und dann habe ich das eher wie in so einem Kreis gesehen, dass ich so zwischen dem Privatier und dem Burnout-Typen irgendwie war. Weil durch diese Konzentrationsschwierigkeiten man dann am Ende des Tages den ganzen Tag beschäftigt war, aber dann immer nicht wirklich kontinuierlich irgendwie. Also interessant, aber auch überraschend, dass bei den ProbandInnen das eher nicht so durchkam. Aber vielleicht liegt es auch am Altersunterschied. Das ist schon auch Thema gewesen.

Birgit Langebartels: Also im Grunde, wie Sie das schon gesagt haben, der Privatier ist eigentlich eher so dieses Gefühl, vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen. Und ich muss das ja machen und das so machen und dann bleibt man überhaupt nicht dabei. Also das ist auch Thema gewesen, weil einfach so viel anderes noch andrängt.

Susan Hinterding: Ja, und ich erinnere mich auch, weil du das auch eben mit dem, was man so digital einüben muss, erzähltest. Ich weiß, am Anfang der Corona-Pandemie habe ich ungefähr dreieinhalb Plattformen kennenlernen müssen, mit denen ich unterrichten konnte, weil ich für verschiedene Hochschulen gearbeitet habe. Und das war jedes Mal eine Schulung wieder in einem neuen digitalen Tool. Das haben wir am Anfang auch erlebt, dass jeder eine eigene Lösung gefunden hat und jeder hat gemacht, was er wollte. Dass das auch mit ermüden kann. Und ich dachte, weil hier gerade der Burn-out-Typ besprochen worden ist, dass diese Burn-out-Thematik eigentlich für alle gilt. Genauso wie das Thema, wie fühle ich mich produktiv, dass es so ein Verhältnis ist. Dass der Privatier oder die Privatiers genauso mit der Überforderung, Überlastung zu tun haben, wie jetzt der Home-Offizier, der sehr viel Energie dafür aufbraucht, alles durchzustrukturieren. Und der Kreative, der alle Bälle in der Hand halten möchte. Also es ist eine Leistung, wie Birgit gesagt hat, mit der Gestaltung, das immer alles im Griff zu halten und zu organisieren. Und deswegen ist es auch ganz oft so, wenn ihr euch mit Krankenkassenstudien und Zahlen auseinandersetzt, dass das Home-Office gerne und viel diskutiert wird damit, dass auf der einen Seite eine starke Produktivität da ist. Also dass die Leute sich da besser konzentrieren können, weil sie nicht so oft gestört werden. Und gleichzeitig auch mit Erschöpfung, Burn-out und Überforderung einhergeht. Das ist die aktuelle Studienlage, die sagt, dass beides möglich ist und beides zugleich zusammenkommt und auch unabhängig von welchem Typus ausgesehen.

Sünje Lorenzen: Ja, hallo, ich bin jetzt wieder zu Hause. Ich habe den ganzen Tag auf der Bahnfahrt verfolgt. Und danke herzlich dafür. Ich habe selber auch schon ein bisschen zu Home-Office geforscht und bei mir war immer im Fokus die Arbeit von Frauen in Home-Office-Situationen. Und habe immer für mich ganz stark das Gefühl gehabt, dass es Frauen sehr entgegenkommt, wenn die Home-Office-Möglichkeiten haben. Gerade weil sie dann eben auch, wenn sie Kinder haben, Kinder organisieren können oder wenn sie die Perspektive der Hausarbeit erledigen, die dann so nebenbei mitgeschehen kann. Und das ist ja immer noch nicht so, dass es gleichberechtigt wäre, wer die Hausarbeit macht und wer die erwerbstätige Arbeit macht. Obwohl das natürlich schon viel besser ist als früher. Aber ich fand immer, dass das eine Möglichkeit ist für Frauen, sich zu entfalten, wenn sie die Möglichkeit haben, zumindest ein bis zwei Tage die Woche Home-Office zu machen. Und habe deswegen Home-Office auch immer sehr positiv diskutiert.

Birgit Langebartels: Ich habe ja immer wieder auch gesagt, es sind unglaubliche Chancen darin, in dem Thema Home-Office zu Hause zu arbeiten. Ich möchte das nicht mehr missen wollen. Das wären Chancen, die wir vertun würden, wenn wir das nicht mehr machen. Aber ich glaube, bei Frauen, die Kinder haben, ist es sowohl als auch. Also auf der einen Seite ist es natürlich eine Entlastung. Ich habe den Arbeitsweg nicht. Ich kann das zwischendurch auch mal machen. Aber viele Frauen haben auch dann gesagt, naja,  dann hat mein Chef gesagt, wenn dein Kind krank ist, ist ja kein Thema, kannst ja Home-Office machen. Und wir wissen, dass ein krankes Kind oder ein krankes kleines Kind und zugleich zu arbeiten, sehr schwierig ist oder nicht machbar. Und eigentlich war der Anfang der Home-Office-Zeit mit Lockdown eine Rolle rückwärts. Ganz viele Frauen haben auch gesagt, im Home-Office, wenn es an der Tür klingelt und der Paketbote kommt, ich mach auf. Oder ich bin dafür zuständig, dass die Kinder das Essen bekommen. Also es ist ein zweischneidiges Schwert. Also es ist eine Chance und zugleich ist es oftmals für Frauen, aber auch schwieriger, sich dann abzugrenzen für die Arbeit.

Susan Hinterding: Das ist witzigerweise ein total altes Thema. Auch vor der Industrialisierung konnten Frauen viel besser arbeiten, dadurch, dass sie im Home-Office waren oder dass der Webstuhl einfach im Wohnzimmer stand, so ganz banal formuliert. Dass Frauen nicht gut arbeiten gehen konnten und Kinder gleichzeitig betreuen, hing eben auch damit zusammen, dass die Arbeit aus dem häuslichen Umfeld sich herausentwickelt hat, durch Effektivität und Produktivität. Es gibt ganz spannende Studien auch von der Heinrich-Böll-Stiftung zu dem Thema, die ähnlich wie Birgit eben gesagt hat, das Thema Rolle rückwärts, Zementierung alter Rollenmodelle diskutieren. Wobei ich sagen muss, dass ich auch erlebe, dass das Thema Arbeiten, obwohl man krank ist oder irgendjemand in der Familie krank ist, auch Männer betrifft. Aber natürlich war das am Anfang auch in unseren Interviews so, dass wir das Gefühl hatten, dass man sich darüber freut, also dass Männer sich darüber freuten, dass die Frau um zwölf das Essen auf den Tisch gestellt hat. Das hatten wir auch in Interviews, dass so alte Verhältnisse wieder da waren. Und ganz aktuell in einer großen Familienstudie, die ich gemacht habe, bin ich erstaunt bis erschrocken gewesen, wie sehr auch noch alte Verhältnisse gelebt werden. Bei Frauen, die auch berufstätig sind, die im Grunde sagen, was ist mit der Emanzipation, da haben wir uns doch ein Eigentor geschossen. Ich gehe arbeiten und ich mache zugleich noch das, was meine Mutter früher gemacht hat, die nur zu Hause geblieben ist.

Sünje Lorenzen: Nur noch einen ganz kleinen Kommentar dazu, weil man sieht ja im Moment auch in den sozialen Medien auch so Berufe entstehen, die es vielleicht früher nicht so gegeben hätte. Zum Beispiel Frauen, die total erfolgreich kochen oder ihre Hausarbeit vermarkten. Das ist eine ganz interessante Entwicklung, die Frauen irgendwie scheinbar sehr entgegenkommt und die jetzt trotzdem auch mit gutem Einkommen und guter beruflicher Perspektive verbunden wird. Und wo Frauen auf einmal aus dem, was ihnen vielleicht aufgezogen wurde, auch was beruflich machen. Ich finde, das ist auch nochmal eine Perspektive davon, die sich gerade entwickelt. Das fiel mir jetzt nur gerade noch so ein dazu.

Susan Hinterding: Absolut, da hast du total recht. Es gibt diese ganzen Instagram-Videos, wo die Leute Wohnungen haben wie bei Ikea, in der es einfach sauber ist. Und die das einfach nur zeigen. Ich habe dadurch letztens gelernt, wie man den Backofen, die Backofentür rausnehmen kann. Das wusste ich gar nicht, dass das geht. Aber ja, genau, das sind solche Themen, die eine Rolle spielen. Habt ihr sonst noch Überlegungen, Anregungen, Fragen? Wir haben auch dazu wahnsinnig viele Abschlussarbeiten gehabt. Und ich fand den Hinweis eben nochmal schön. Also das Hexagramm ist auch hier, das Rheingold-Institut arbeitet sehr stark mit dem Hexagramm.

Birgit Langebartels: Das ist sehr unterschiedlich. Ich selbst arbeite sehr gerne mit dem Hexagramm. Es ist immer auch die Frage, was erzählt man den Kunden? Also stellt man das als Hexagramm auch vor? Kann man machen auch, aber man muss es dann wirklich übersetzen. Und für mich ist es eine unglaublich gute Strukturierungshilfe.

Susan Hinterding: Und du hast das jetzt in deiner Präsentation eher in dieser Kreisvariante gehabt. Das sind diese Spannungsverhältnisse im Kreis. Man darf auch die Form verändern.

Birgit Langebartels: Und im Grunde sind aber die einzelnen Pole für mich immer auch eine Hilfe. Habe ich an alles gedacht? Oder wenn sich auch eine Spanne, ein Pol oder ein Spannungsverhältnis sehr deutlich zeigt. Ich denke, okay, aber wo ist ja jetzt die Ausbreitungsseite? Das muss immer alles auch da sein. Natürlich gibt es da unterschiedliche Gewichtungen, aber für mich ist es sehr hilfreich, um ein Thema zu fassen zu kriegen.

Susan Hinterding: Und ich bin zum Beispiel jemand, der das Hexagramm tatsächlich nur nutzt in der Darstellung, also die drei Spannung, wenn ich das Gefühl habe, dass es das einfacher macht. Weil manchmal ist es zu kompliziert. Also ich arbeite dann gerne mit den Vierecken, also mit den zwei Spannungen. Manchmal kann ich die Ausbreitung und die Einwirkung gut zusammenbringen. Also manchmal funktionieren die gut zusammen, dann ist die Anordnung und die Ausrüstung auch gut zusammen. Und dann kann ich das dem Kunden leichter erklären. Aber im Hintergrund ist es genau wie Birgit sagt, dass ich das zum Strukturieren des Materials ganz gut gebrauchen kann und dann mir später im Storytelling überlegen muss, wie würde ich es erzählen. Habt ihr dazu sonst noch Fragen?

Amina Humpatin: Da hätte ich mich noch gefragt, gab es einen Auslöser für den Anfang der Forschung, hat ein Kunde da was angefragt? Oder wurde erst die Forschung gemacht und dann habt ihr euch überlegt, wer könnte die Ergebnisse gebrauchen?

Birgit Langebartel: Also es gab schon eine Forschung bei Rheingold dazu von einer großen Firma und aber dann die Kooperation, also eigentlich ausschlaggebend für diese Studie war der Kooperationsgedanke. Was wollen wir untersuchen? Das springt uns im Moment als Thema an, machen wir da was draus? Und es war dann eher das nach der Untersuchung, also nach der Eigenstudie, wir haben ja dann da auch den Homeoffice-Report rausgebracht. Und danach habe ich auch noch zu Rheingold-Zeiten, dann auch noch Unternehmen beraten, wo das dann Thema war, wie machen wir das jetzt mit dem Homeoffice? Die haben das beispielsweise Team-Charters genannt, die haben das in die einzelnen Teams die Verantwortung gegeben und haben das über ein Jahr ausprobiert. Das heißt, jedes Team sollte für sich überlegen, was macht für uns Sinn? Wie viele Tage Homeoffice? Wer muss wann, wo, wie sein? Wie machen wir das? Also wirklich ins Operative hinein an die Teams gegeben. Und dann wurde im Grunde nach einem Dreivierteljahr das nochmal verlängert, eigentlich dann nach einem Jahr auch geguckt, so was ist gut gelaufen, was nicht gut gelaufen. Da haben wir eine Untersuchung nochmal gemacht und dann Empfehlungen ausgesprochen. Und das wurde dann nochmals auch mit dem Unternehmen dann besprochen, oder eigentlich haben die das dann auf Vorstandsebene und an die Team-Charters weiter delegiert. Aber es wurde dann eine Festlegung getroffen. Ich glaube, es war dann zwei Tage im Office zu sein wieder.

Susan Hinterding: Ich glaube, bei Kooperationsstudien oder Eigenstudien, dann gibt es immer etwas, was uns wahnsinnig interessiert. Wir machen die Mental Load Studie, die Chat-GPT-Studie, also Chat-GPT als Coach oder Mental Load als großes Thema. Das beschäftigt uns einfach. Manchmal ist es einfach die Neugierde. Ich glaube, wenn man einmal so wissenschaftlich, forscherisch arbeitet und da irgendwie Blut geleckt hat, dann passiert das schnell, dass man sagt, jetzt nochmal ein paar Interviews.

Birgit Langebartels: Ja, genau. Wenn man dann mitkriegt, das ist doch gerade ein gesellschaftliches Phänomen. Warum ist das eigentlich so? Dass man das dann auch sich mit einer Eigenstudie genauer anschaut. Und die Eigenstudien sind natürlich eine Möglichkeit, darüber was zu veröffentlichen oder auch dann in Unternehmen reinzukommen.

Susan Hinterding: Und vielleicht auch an der Stelle, also du arbeitest hin und wieder mit PraktikantInnen.

Birgit Langebartels: Ja genau, ich arbeite mit Praktikantinnen und Praktikanten zusammen, gegebenenfalls mit Werkstudenten oder freien Mitarbeitenden. Und sie können sich gerne mal abscannen und auf meine Website gehen, wenn es sie interessiert.

Susan Hinterding: Manchmal kann man noch am Abschluss arbeiten und bei verschiedenen Kooperationspartnern von uns schreiben. Die Möglichkeit besteht eben auch. Das machen wir auch viel. Ich weiß, dass nach der Studie mit den Studierenden, die dabei mitgemacht haben, einige wirklich bei euch als Freiberufler angefangen haben. Oder dann ihren Weg als Projektleiter in die Marktforschung gefunden haben. Ein Team werde ich demnächst in Hamburg besuchen nächste Woche. Da sind drei unserer ehemaligen Studierenden. Da habe ich einen Kaffeetrinktermin. Ja, dann sage ich an der Stelle einfach nur ein herzliches Dankeschön an Birgit, die immer wieder uns unterstützt bei diesen Aktionen und wirklich auch viel Zeit investiert, auch auf freiwilliger Basis, um das zu machen. Ich danke euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, heute hier zu sein und uns so zahlreich unterstützt habt.

Birgit Langebartel: Ja, mir bleibt auch herzlich ein Danke zu sagen. Hat Spaß gemacht. Und ja, gerne wieder. Und ich finde es einfach auch immer gut zu merken, dass das, was man studiert, die Morphologie ist ja manchmal auch nicht so pragmatisch, sage ich mal. Sperrig. Aber dass man wunderbar mit der Morphologie arbeiten kann.

Valerian Warmuth: Auch nochmal danke von meiner Seite. Ein sehr spannender Vortrag. Auch danke für die tollen Kommentare in der Diskussion. Ich würde mich freuen, Sie zu den nächsten Vorlesungen wiederzusehen. Danke und alles Gute.

Birgit Langebartels ist Diplom-Psychologin mit über 25 Jahren Erfahrung in der tiefenpsychologischen Marktforschung. Dabei war sie langjährige Mitarbeiterin des Rheingold Instituts und leitete dort den Bereich „Gender & Generation“. 2019 hat Sie zudem ein Buch über Depression veröffentlicht. Im Juli 2024 gründete sie ihr eigenes Institut „b.forscht“, das sich auf erlebbare und umsetzbare Markt- und Medienforschung spezialisiert hat.

 

 

 

Susan Hinterding ist Professorin für Wirtschaftspsychologie mit einem Schwerpunkt auf qualitativen Forschungsmethoden und morphologischer Psychologie. Sie erforscht, wie Menschen Medien, Marken und Technologien erleben – insbesondere in einer zunehmend digitalisierten Welt. In Lehre und Forschung verbindet sie tiefenpsychologische Theorie mit praxisnaher Anwendung, um psychologische Muster hinter Konsum, Kommunikation und Alltag zu entschlüsseln. Neben ihrer akademischen Tätigkeit ist sie als Autorin und Speakerin aktiv und beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz.

 

 

Bild Valerian

Autor:in

Valerian Warmuth studierte Wirtschaftspsychologie (B.Sc. & M.Sc.) an der BSP Business & Law School Berlin. Zudem ist er zertifizierter Systemischer Coach und Therapeut, sowie Analytischer Intensivberater. Er hat Erfahrung in Marktforschungs- und Beratungsprojekten in den Bereichen Unternehmensentwicklung, FMCG und Health Care, sowie im Projektmanagement für den Förderschwerpunkt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz Mittelstand-Digital. Aktuell ist er als freier Dozent für Wirtschaftspsychologie an der BSP tätig.

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