Der Fokus der Beiträge der ZWISCHENSCHRITTE liegt auf der Morphologischen Psychologie, einer Psychologie, die das GOETHEsche Wissenschafts-Programm einer morphologische Betrachtung von Wirklichkeit auf die Psychologie überträgt und ab der 50er Jahre von Wilhelm SALBER entwickelt wurde.
Ab 1963 Direktor des Psychologischen Instituts II an der Universität zu Köln haben W. SALBER im Verbund mit seinen Mitarbeiter:innen konsequent und auf zahlreiche Anwendungen umgesetzt, was Wilhelm DILTHEY bei der Einrichtung der Psychologie als eigene Wissenschafts-Disziplin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eine der Wesensart des Seelischen angemessene Psychologie als Alternative zu einer damals wie heute vor-herrschenden Orientierung an der (damaligen) Wissenschafts-Kultur der Naturwissenschaften vorgestellt hat („Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie“ [1894]).
Unter ausdrücklichem Einbezug von Grund-Sätzen F. NIETZSCHEs, S. FREUDs, C.G. JUNGs, der „Berliner Schule der Gestaltpsychologie“ sowie der „Leipziger Schulte der Genetischen Ganzheitspsychologie“ u.a. steht die Morphologische Psychologie in der Tradition einer Welt-Anschauung, die (neuzeitlich verortet) im Humanismus wurzelt und die Zusammenhänge des (menschlichen) Erlebens und Verhaltens in ihren Entwicklungen und Metamorphosen beschreibt und verstehbar macht („Gestalt[en] auf Reisen“).
Psychologische Morphologie ist – ganz im Sinne GOETHEs – ‚Gestalten-Lehre‘ als ‚Verwandlungs-Lehre‘ und eine entschieden wie konsequent Psychologische Psychologie, d.h. sie ‚verzichtet‘ im Rahmen einer autonomen Gegenstands-Bildung auf Konstrukte anderer Disziplinen (wie etwa Hirnforschung bzw. Neurowissenschaften), indem sie das Sich-Zeigende umfassend und differenziert beschreibt („Die Phänomene sind die Lehre“ [GOETHE]) und aus diesen Beschreibungen ‚zergliedernd‘ (DILTHEY) mehrdimensionale Strukturen ableitet, welche die Zusammenhänge und Entwicklungen seelischer Gestalten auf- und ausweisen.
Vor diesem Hintergrund kann die Morphologische Psychologie insbesondere durch drei Kennzeichen (im Unterschied und in Angrenzung zum naturwissenschaftlich orientierten Mainstream zeitgenössischer Psychologie) charakterisiert werden:
Und nicht zuletzt versteht sich die Psychologische Morphologie angesichts der sich zuspitzenden Krisenlagen mit zunehmendem Veränderungs-Druck auch als eine ausdrücklich kultur-kritische Psychologie, die entsprechend selbst-bewusst in ihrer gleichermaßen traditionellen Verankerung wie vermittels ihrer zukunftsfähigen Konzepte in der Lage ist, die anstehenden (Ver-)Wandlungen inspirierend zu begleiten und kompetent zu unterstützen.
Als Rückentext der ZWISCHENSCHRITTE 2-1992 wurde ‚die‘ Morphologie mit diesen Worten charakterisiert:
Der Versuch, sich dem Seelischen zu nähern, gelingt dort, wo man es nicht scheut, sich mitten unter die Dinge des Alltags zu begeben.
Verfolgt man eine Psychologie, die ihr Tun an der Vielfalt dieser Wirklichkeit ausrichtet, bedeutet das zunächst, Umwege zu gehen und der eigenen Logik des Seelischen zu folgen, um seinen Sinn zu verstehen.
Auf diesem Wege kann es geschehen, daß Vertrautes plötzlich fremd wird, und man das Wesentliche dort findet, wo man es am wenigsten vermutet: in den alltäglichen Lebensformen, die sich dann als der eigentliche Schauplatz seelischer Prozesse erweisen. Der Alltag ist das Seelische.
In dieser Einsicht liegt der Witz, das Können, aber auch die Herausforderung einer morphologischen Psychologie, die bewusst auf gewohnte Kategorien verzichtet zugunsten eines lebendigen Bildes seelischer Zusammenhänge.
Armin Schulte 07 September 2022
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