‚Wisch und weg‘ – Einige Anmerkungen zu Frühfolgen des zeitgenössischen Umgangs mit zu viel Vielfalt und zu wenig Ein- und Ausfalt

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Autor:in

Dipl.Psych. Armin Schulte war nach dem Studium der Psychologie in Gießen und Köln zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut am Lehrstuhl W. Salber und initiierte noch zu Zeiten seines Studiums 1981 die Zwischenschritte, der Mitherausgeber und Chefredakteur er bis 2011 war. Von 1993 bis 2004 war er Geschäftsführer der ‚Kölner Akademie für Markt- und Medienpsychologie‘ (kamm) sowie Leiter der Aus- und Weiterbildung des Kölner rheingold Instituts. Ab 2004 entwickelte er zusammen mit Herbert Fitzek für eine private Hochschule in Potsdam einen morphologisch basierten Studiengang in Wirtschaftspsychologie und ist seit 2012 Professor für Wirtschaftspsychologie an der BSP und Department-Leiter des gleichnamigen Fachbereichs.

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Psychologie von Alltag und Kultur, Qualitative Methodik, Geischte der Psychologie und Didaktik der Morphologischen Psychologie.

Neulich im Unterricht (standesgemäß: während der Lehre): Nachdem wir im Rahmen einer vorangegangenen Sitzung im Modul „Einführung in die Wirtschaftspsychologie“ (Rückblende 1) …

… die in (sicherlich fast) allen Lehrbüchern der Wirtschaftspsychologie gängige Definition von&für ‚Wirtschaftspsychologie‘ behandelt hatten – nämlich:

… um alsbald in der folgenden zwei Fragen zu entwickeln, die sich – naheliegend bis zwangsläufig aus einer solchen Definition ergeben – nämlich (zunächst Frage eins):

… und um dann im Anschluss daran noch eine zweite – gemeinsam allerdings nicht ganz so schlüssige zweite Frage zu formulieren (die sich jedoch – ebenfalls & eigentlich recht folgerichtig aus Sinn und Zweck einer Definition ergibt – dass nämlich …

… eine Definition ihrem Wesen nach ‚etwas‘ – d.h. das, was es zu definieren gilt – sowohl bestimmt als auch von ‚anderem‘ – was zwar verwandt, aber eben doch ‚anders‘ ist – wie z.B. …

… eine Definition für ‚Obst‘ lautet … und für eine ‚Banane‘ …, Und eine Banane ist zwar Obst, aber kein Apfel.)

In diesem Sinne kann bzw. muss eine zweite Frage (‚eigentlich‘) – d.h. vorausgesetzt, man ist in solcherart Überlegungen ‚geschult‘ – lauten:

Einschub (= Rückblende 2): Bis vor ca. 5-6 Jahre löste diese Frage (in besagtem Kontext) im Seminar eine hitzige Diskussion darüber aus, dass es doch wohl Lebens- bzw. Alltagsbereiche geben muss, die nicht als ‚wirtschaftliche Kontexte‘ von Kommerz, Konsum und Kapital bestimmt, geprägt und ‚durchseucht‘ seien.

Also ‚nicht-wirtschaftliche Kontexte‘!

Wie ‚Freundschaft‘ oder gar ‚Liebe‘ zum Beispiel.

Beides als zutiefst humane Regungen doch wohl den Rankünen einer ‚freien Marktwirtschaft‘ entzogen und weiterhin ‚rein menschlich‘.

Gegenfrage meinerseits: ‚Und was machen Sie, wenn Sie frisch verliebt sind?‘

Vorschläge (meinerseits): ‚Lecker essen‘ (vgl. Harpe Kerkeling als ‚Königin Beatrix‘ [https://www.youtube.com/watch?v=cvc2k8QqoII&t=92s]) gehen, Blumen mitbringen, Kondome kaufen, nach Paris fahren (mit Auto, Bus oder Bahn).

Unterstützt wurde dieser Einwand durch ein Standfoto aus einer Fernsehserie:

Nächster Versuch: ‚Nachts, wenn man schläft‘ ist ein klarer Fall von ‚nicht-wirtschaftlichem Kontext‘.

‚Wo schlafen Sie denn?‘

‚In meinem Bett.‘ (‚Mit meinem Teddy oder meinem Mac als Einschlaf-Hilfe.‘)

Letzter Versuch: ‚Man verbringt sein Leben fernab und nackt im Wald und ernährt sich von Wurzeln, Beere und Pilzen …‘

Mutet allerdings ein wenig grenz-absurd an …. Also:

Nach heftigem Widerstreben musste man auch damals schließlich mehr oder weniger zerknirscht einräumen, dass …

(Einblick): … es wohl keinen Bereich der Wirklichkeit geben kann, der mit keinerlei ‚wirtschaftlichen‘ Belangen – welcher Art auch immer – in einem (konstitutiven) Zusammenhang steht. Oder schon einmal grundsätzlicher formuliert:

(Ausblick) Es gibt kein Seelisches ‚an‘ oder ‚für sich‘. Ein ‚Seelisches‘ ohne ‚Weltliches‘ mag zwar ‚denkbar‘ sein (René Descartes bezeichnet die „res cogitans“ zwar bzw. immerhin als „substanzlose Substanz“), ist aber kaum (er-)lebbar. Denn das ‚Wahrnehmen‘ z.B. eines Baumes ist notwendig bezogen aus ‚Etwas‘, das wir als Baum ‚wahrnehmen‘ und das Verhalten beim Umrühren einer Tasse Kaffee bedarf (un)bedingt eines Löffels und einer Tasse (mit Kaffee, Mich und/oder Zucker). (Etwas) mehr dazu: s.u. …

Interessant – und wohl dem Wandel der Zeiten geschuldet – ist nun, dass es bis vor besagten 5-6 Jahren mit der damaligen Studierenden-Generation recht aufwendig war, sich schließlich dahingehend verständigen zu können, dass es in Abgrenzung von einem ‚wirtschaftlichen‘ oder („wirtschaftsnahen“ – was immer das sein mag!?) Kontext wohl auch einen ‚nicht-wirtschaftlichen‘) geben müsse (ein Apfel ist schließlich keine Banane) – dass eine solche Feststellung (bzw. deren Fragwürdigkeit) seit einiger Zeit keinen allzu großen argumentativen Aufwand meinerseits mehr erfordert, da diese Einsicht recht zügig und ohne vereinzeltes Murren schon studentischerseits formuliert werden kann.

So oder so – als Schlussfolgerung aus all dem ergibt sich nun – ebenfalls naheliegend bis ‚zwingend‘ -, dass die gemeinhin übliche Definition von&für Wirtschaftspsychologie …</em

  • unbedacht
  • zu kurz gedacht
  • ☒ vorschnell
  • nachlässig
  • fahrlässig
  • unzureichend
  • unbefriedigend
  • falsch

… ist (mehrere Ankreuzungen sind möglich). Also empfiehlt sich eine Alternative – nämlich:

Ende Rückblende 2

In besagter Sitzung – also in der, um die es bei dieser Kolumne eigentlich gehen soll (die aber einen Bezug und die vorangegangene Sitzung voraussetzt) – ward nun zum Thema das, was mit der Ansage vorneweg auch in Aussicht gestellt ist – nämlich:

Zwecks Einstimmung auf diese Thematik (und das, was damit&dabei in den Blick geraten soll), wurde zunächst eine Frage gestellt, die seinerzeit auch einmal an Thure von Uexküll gerichtet war (und die auch heutzutage noch in der Lage ist, im Seminar dank unterschiedlicher Ansichten eine längere [und bewegte]) Diskussion auszulösen:

Also: Wieso?

Im nächsten Schritt dann ein weiterer Rückblick in die Geschichte der Wissenschaft(en) mit besonderem Blick auf die Einrichtung der Psychologie als ‚eigenständige‘ Wissenschaft im Verlauf der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert – ein Rückblick, der schließlich zu der Frage führen sollte, deren Antwort den Kern dieser Sitzung bildete (und damit zum Anlass für diese Kolumne wurde). Aber der Reihe nach (Rückblende 3) …

Nun denn …, aber zurück ins 19. Jahrhundert (und dessen Auswirkungen bis in die Gegenwart … mit besonderem Blick auf die Anfänge der Psychologie).

Zu diesem Zweck zunächst ein kurzer Blick auf einige charakteristische Züge der damaligen Epoche, sich die Welt (aus Sicht Europas) zurechtzumachen bzw. aufzuteilen. Neben einem aufkommenden ‚Nationalismus‘ in Tateinheit mit einem sich ausweitenden ‚Imperialismus‘ spielte dabei vor allem (und bis heute nach wie vor bzw. erneut von zunehmender Bedeutung) eine Rolle, der …:

… über weite Strecken auch weiterhin in Tateinheit mit einer damals wie heute (s. ‚Föderalismus‘) mit Inbrunst zu wahren gesuchten …

… ‚Kleinstaaterei‘.

??

D.h. alle drei selbstverliebten Ruppiditäten – Kolonialismus, Nationalismus und Imperialismus – führten bei Aufkommen ‚neuer‘ Wissenschaftsdisziplinen und der Organisation und Durchgliederung der Wissenschafts-Landschaft im Verlaufe der zwoten Hälfte des 19. Jahrhunderts dazu, auch ‚die ganze‘ Wirklichkeit wie eine Torte in einzelne Stücke bzw. Bereiche aufzuteilen, um diese dann den einzelnen Disziplinen zuzuweisen resp. zu kredenzen.

Im allseitig geteilten Einklang mit den damaligen Gepflogenheiten des (sprichwörtlich) ‚herrschenden‘ Zeitgeistes, kam eine solche Zurecht-Machung von Welt & Wirklichkeit gewiss auch dem anschwellenden Selbst-Bewusstsein der Wissenschaft(en) entgegen, da jetzt jede Disziplin den ihr zugeteilten bzw. ihrerseits reklamiert-beanspruchten Wirklichkeits-Bereich in Besitz nehmen konnte. Folgerichtig wie erschwerend hinzu kam somit, dass eine solche Besitznahme in aller Regel mit einer Zuständigkeits-Erklärung einherging, die sich – wiederum nicht selten – mit&zu einem Alleinvertretungs-Anspruch steigerte bzw. in einem solchen ihren krönenden Abschluss erlangte.

Der Grundstein für eine ‚Alles Mein‘-Denke, für zunehmende Arbeits-Teilungen (inclusive sich ausbreitende Unüberschaubarkeiten) und ‚Jeder für sich‘-Siloismen ward gelegt bzw. fundamental zementiert:

www.youtube.com/watch?v=jUdNO8EOn1, https://www.youtube.com/watch?v=jUdNO8EOn1M

Nun denn! Was hat das denn mit Wissenschaft zu tun und v.a. mit Psychologie?

Und was bedeutet das bzw. was hat eine solche Denke auch & gerade für das Betreiben von Wissenschaft bis in die Gegenwart hinein zur Folge?

D.h. zunächst einmal, dass wenn es – v.a. auch in den Medien – beispielsweise um Politik geht …

… ist (zumal in erster und meist auch in letzter Linie) die Politikwissenschaft (oder die Parteienforschund) nach-gefragt – und so es um …

… Filme geht, die Film- oder zumindest die Medienwissenschaft (plus: die jeweiligen Macher:innen).

Und falls es sich etwa um Wirtschaft dreht, sind (wiederum zuvorders) die Wirtschaftswissenschaften angesagt.

Erst wenn etwas Schräges, Irrationales oder gar Verrücktes im Spiel zu sein scheint oder falls etwas entgegen aller ansonsten bestimmenden Absichten gescheiter ist (oder zu scheitern droht) bzw. gerne dann, wenn es um Gefühliges, um ‚Soft-Skills‘ oder andere ‚inneren Menschlichkeiten‘ geht, darf auch mal die Psychologie ran.

Ansonsten möge man sich mit der Neu-Entdeckung von Alt-Bekanntem, den Vereinfachungen komplexer Zusammenhänge in Form beruhigender Banalitäten (‚Dopamin‘) oder anderen tiefgründigen Oberflächlichkeiten bescheiden.

Aber jede Kultur hat halt die Psychologie, die sie zulässt, fordert, braucht und verdient …

Aber zurück zu der Frage, ob man es bei einen solchen althergebrachten Auf- und Einteilung der Wirklichkeit, eng verknüpft mit entsprechenden Zuständigkeiten und Allein-Vertretungs-Ansprüchen belassen muss, um sich als Psychologe in die ‚Innerlichkeiten‘ des ‚Individuum‘, dem Verhalten Einzelner oder – was forschungs-logisch auf das Gleiche hinausläuft – (Ziel-)Gruppen zurückziehen muss, um dann letztendlich wie zwangsläufig im Gehirn auszukommen (bzw. als Erklärungs-Letztheit zu enden).

Am Rande: Nichts gegen Physiologie, Hirnforschung oder Neurowissenschaften – aber das sind naheliegend andere wie eigene Gegenstands-Bildungen. Und die (Wirtschafts-)Psychologie sollte sich selbst-bewusst und eigen-sinnig das Recht zugestehen, eine ebenfalls eine autonome Gegenstands-Bildung zu betreiben, die mit den ihr eigenen Mitteln und Möglichkeiten operiert.

D.h. auch die Selbst-Verständlichkeit, in&mit der man heutzutage neuronale (= physiologische) Strukturen und Prozesse als Grundlage psychischer Prozesse betrachtet (auch&gerade die Mainstream-Psychologie ist dabei bereitwilligst mit von der Partie) basiert auf Be- und Abstimmungen, beruht also nicht auf ‚Gegebenheiten‘, vielmehr auf ‚Gemachtheiten‘ …

… mit der man eine Gegenstandsbildung betreiben kann – aber nicht muss. Denn auch das Bild, das ‚wir‘ uns vom ‚Gehirn‘ machen, ist ‚nur‘ ein (gemachtes) Bild. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Und ohne dass eine konsequent Psychologische Psychologie sich über Stellenwert, Funktion und Bedeutung ‚des‘ Gehirn nicht über Gebühr (allzu) viele ‚Gedanken‘ machen muss, beansprucht sie – wie soeben bereits erwähnt – im Sinne und in Konsequenz einer eigenständigen (= psychologischen) Bildung ihres Gegenstandes nur, dass man eine solche auch ohne den Rückgriff (oder Einbezug) physiologischer Konstrukte betreiben kann, indem man mit (psychologischen) Konstrukten (= Bilder, Modelle, Kategorien, Begriffe) arbeitet, die man ganz im Sinne Goethes (‚Die Phänomene sind die Lehre‘) aus Beschreibungen (s. Dilthey) abgeleitet hat.

(Abgesehen davon, dass es mehr als fatal – ja dumm – ist, angesichts der Zuständigkeit, die man sich selber zugesteht bzw. die einem von anderem zugebilligt wird, den Rest der Welt – die Um-Welt – jenseits von drögen kognitiv-mentalen Repräsentanzen (‚Die Welt im Kopf‘) aus dem Blick geraten zu lassen resp. an andere Disziplinen überlassend zu delegieren.)

Ergo (um Missverständnissen vorzubeugen und Fehleinschätzungen nach Möglichkeit zu vermeiden noch mal): Weder sollen hier Funktion und Sinnhaftigkeiten ‚des‘ Gehirns in Zweifel gezogen werden noch besteht die Absicht, Erkenntnisse und Errungenschaften ‚der‘ (seriösen) Neurowissenschaften zu diskreditieren oder gar abzustreiten (von überhypten Popularisierungen und bedenkenswerten Entwicklungen einmal abgesehen). Aber – und das ist der entscheidende ‚Punkt‘ – entgegen der gemeinhin auch&gerade in (Fach-)Kreisen der psychologischen ‚scientific community‘ als selbst-verständlich und meist unreflektierten Auffassung, physiologische Strukturen und Prozesse seien grundlegende bis verursachende Voraussetzung für jedwedes psychische Geschehen, sei hier ausdrücklich angemerkt, dass es sich dabei um eine (gemachte) Setzung aufgrund von (getroffenen) Vereinbarungen – also um ein Bild – handelt und (v.a.) dass man mit solchen Konstrukten zwar auch Psychologie betreiben kann, aber eben nicht muss – zumindest dann, so man als Psychologie den Anspruch erhebt, eine konsequent autonome – d.h. psychologische – Gegenstands-Bildung zu betreiben.

Womit man wieder bei der unscheinbar klingenden Feststellung angelangt wäre, dass es ein Seelisches (= ein Erleben und Verhalten ‚an&für sich‘) nicht geben kann. Ohne Stuhl (oder ähnliches) kein Sitzen, und ohne Sitzen(-Wollen) kein Stuhl. Sitzen ‚macht‘ Stuhl und Stuhl ‚macht‘ (bzw. gestaltet) Sitzen. Kein Wechsel-Verhältnis, sondern ein Verhältnis gegenseitiger Konstitution. Mehr dazu aber bei anderer Gelegenheit. …

Aber eins noch ‚hier & jetzt‘ …

Die Feststellung (oder der Hinweis), das wir es bei allem Erkenntnissen, Einsichten, Vorstellungen, Ansichten o.ä. – gleich, ob in Wissenschaft oder Alltag – mit von ‚uns‘ (‚Who else?‘) gemachten Bildern zu tun haben, bedeutet jedoch (im Rahmen der hier vorgestellten Position) nicht, dass wir bei der Herstellung solcher Bilder völlig ‚freie Hand‘ hätten oder dabei nach Belieben verfahren könnten.

Denn im Unterschied zu den Menschen-, Welt- und Wissenschaftsbildern …

… im 19. Jahrhundert, wo man die Repräsentanz ‚der‘ Welt im Kopf in einem 1:1-Verhältnis als Ab-Bild durch auf unsere Sinnesorgane einströmende ‚Reize‘ betrachtete (eine grundlegende Vorstellung, die auch heutzutage noch nicht gänzlich überwunden ist) – oder im Sinne einer konträren Position …

… die Ansicht vertritt, dass die ‚Außen‘-Welt auf Basis ‚unspezifischer Turbolenzen‘ erst- wie letztlich bloß ein ‚Hirngespinst‘ – also eine ‚hausgemachte‘ Vorstellung, die dann vom Kopf aus als ‚Um-Welt‘ nach ‚draußen‘ projiziert wird (s. zeitgenössische Varianten des ‚radikalen Konstruktivismus‘) …

(Wobei beide Anschauungen die von Descartes bestärkte Spaltung der Wirklichkeit in zwei wesensmäßig verschiedene Bereiche beibehalten und tradieren bzw. sich unnötigerweise genötigt sehen, ‚Seelisches‘ und ‚Weltliches‘ ‚dingfest‘ zu machen und zu verorten [nämlich im Gehirn].)

… kann es auch eine wissenschafts- bzw. erkenntnistheoretische Position zwischen beiden Extremen geben, die Wilhelm Salber einmal in überaus prägnanter wie trefflicher Weise wie folgt formuliert hat:

Nebenbei (und überhaupt) ist ein ‚Dazwischen‘ trotz aller Unsinnigkeit, es zu materialisieren, zu verorten oder zu lokalisieren, ein ‚Ort‘ bzw. ein Bild für eine ‚Seelisches‘ und ‚Weltliches‘ übergreifende Wirklichkeit, welches (im Goetheschen Sinne) von Polen ausgeht und in Polaritäten ‚denkt‘ (vgl. den Beitrag von W. Pohlmann über ‚Seelisches als Zwischenwelt‘).

Statt Getrenntheit, Wechselwirkung oder gar die Vereinfachungen eines Glaubens an Kausalitäten steht dabei dann ein konsequentes ‚Indem‘ im Zentrum gegenstandsbildnerischer Unternehmungen, d.h. die Annahme (selbstredend ebenfalls ein Bild), dass ‚Seelisches‘ und ‚Weltliches‘ sich im Rahmen&Zuge der mannigfachen Kultivierungs-Formen des Alltags gegenseitig konstituieren.

Ende Rückblende 3.

Zurück zur ‚Einführung in die Wirtschaftspsychologie‘. Hier noch mal die entscheidende Frage:

Anstoß und Anlass war jetzt also die Frage, wie denen eine solche Alternative dies- oder jenseits einer solchen – dem damaligen Zeitgeist unterstellten – imperialistisch-kolonialistischen Bestimmung des Gegenstandes, mit dem sich eine Wissenschaft(s-Disziplin) befassen mag, ausfallen könnte.

Im Bemühen um eine Antwort stellte sich zunächst einmal eine gewisse und zunehmende Ratlosigkeit ein, da erste Versuche, auf dieses Ansinnen eine Antwort zu geben (‚mehr auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen eingehen‘, ‚interdisziplinäre Zusammenarbeit‘), von mir als nicht so recht hinreichend bzw. kaum grundsätzlich anders zurückgewiesen wurde.

Und so kam es, dass ‚man‘ schließlich nicht mehr weiter wusste. (Ein Stocken, das immer schon studierenderseits zu der entlastenden wie unterschwellig vorwurfsvollen Frage an mich, als den Lehr-Beauftragten, führt[e]: „Was wollen Sie denn jetzt von uns hören??“)

Erst (m)ein Hinweis, man möge sich doch (noch) einmal, auf das zentrale Thema der Sitzung (rück)besinnen – nämlich …

… zumal diese Blickrichtung ja ebenfalls eine maßgebliche Begründung für von Uexkülls ‚kühne‘ Behauptung „Natürlich 100%“ ausmachte.

Einen solchen Zusammenhang herstellen zu können bzw. sich aktuell auf etwas zu besinnen oder zu rekurrieren, was bereits einige Zeit zurückliegt und (!) noch nicht in ihrem gewohnten Verständnis-Horizont verankert und (!) in der Lage war, ihr spontanes Interesse zu wecken, fällt der ‚jungen‘ Generation heutzutage bzw. seit geraumer Zeit schwer.

Und so eine gewisse Getrübtheit Geschichtlichem gegenüber sich schon seit mehreren Jahren zunehmend bemerkbar machte (Motto: ‚Ich habe eh schon genug am Hals, da kann ich mich für die Zeit vor meiner Geburt nicht auch noch kümmern [müssen]‘ und(!) auch die Angebots-Fülle des Internets musste man ja erst mal lernen handzuhaben und zu bewältigen), sorgte seit 2007 der weltweite Siegeszug des Smartphones diese Tendenz verstärkend dafür, dass das jeweilige ‚Hier&Jetzt‘ mehr&mehr in den Vordergrund rückte und schließlich zunehmend verfassungs-stiftend wurde und zur Blasen-Bildung führte.

Dank der Möglichkeit, per Mac (PC), Laptop, Tablet und v.a.: Smartphone auf eine (fast schon) unendliche Vielfalt zugreifen zu können, gilt es Orientierungs-, ja (Üb)Erlebens-Strategien zu entwickeln (bzw. als von der Kultur bereitgestellte Kultivierungs-Formen zu übernehmen), die es einem im Alltag ermöglichen, sich in diesem Meer zurechtzufinden (zumal ein weiteres Motto der Gegenwartskultur – frei nach dem Untertitel eines Kinderbuchs – lautet: „Es muss im Leben doch mehr als alles geben“ – dies in Tateinheit, das eine jede übergreifende Entschiedenheit und erst recht ein jeder Verzicht eine kaum endschuldbare Versündigung gegenüber der persönlichen Vielseitig- bei gleichzeitiger Einzigartigkeit darstellt.)

Und so kommt, wie es zwar nicht kommen muss, aber naheliegenderweise kommen kann: Angesichts der steten Fülle, die insbesondere beim fortgesetzten Umgang mit dem Smartphone auf einem lauert, muss man sich sofort (im ‚Hier & Jetzt‘) vergewissern und entscheiden, ob dass, was einem da gerade geboten wird, einem auch aktuell zupass kommt (weil wichtig, lustig, interessant, angefragt, mitgeteilt oder vergleichsweise für einen selbst bedeutsam [vgl. das Smartphone als existenz-wahrende, daseins-bestätigende ‚Nabelschnur‘ bzw. behütendes ‚Babyphone‘]) – oder eben nicht.

Und falls ‚nicht‘ wird’s – gleichermaßen routiniert wie blitzschnell – weggewischt (oder weitergescrollt).

Und da dabei nicht um eine höchst-persönliche, individuell entwickelte Umgangsform mit Wirklichkeit handelt, muss man auch in diesem Falle – ein gewisses Geschichts-Bewusstsein vorausgesetzt – nicht allzu lange nach entsprechenden Bereitstellungen der (damaligen) Gegenwarts-Kultur Ausschau halten – nämlich …

https://www.youtube.com/watch?v=bzgUJr61g7k

Und so wundert es nicht (allzu sehr), dass es den Studierenden (übrigens eine elegante Möglichkeit, ein allzu umständliches Gendern elegant zu umgehen, die allerdings auch an ihre Grenzen stoßen kann – etwa bei einem ‚Fahrradfahrenden‘, der oder die gerade an einer [roten] Ampel steht) zu einem späteren Zeitpunkt durchaus nicht selbstverständlich (mehr) ist (bzw. sein kann), sich zurückblickend auf etwas zu besinnen, das einem zunächst nicht unmittelbar bedeutungsvoll oder einsichtig erschien bzw. für das (von Uexküll) am einen Zusammenhang erst – immer je nachdem mit einem gewissen Aufwand ‚gegen den Strich‘  – herstellen muss.

Und wenn es nicht ‚stante pede‘ passend erscheint, müsste man es erst passend machen. Das bedeutet eine gewisse (hand-)werkliche Anstrengung …

Und um schließlich zu vermeiden, als Älterer in traditioneller Manie ‚der‘ Jugend Vorhaltungen zu machen oder angesichts solcher zeitgenössische  Phänomene der Gegenwarts-Kultur den Untergang der Selbigen (herauf) zu beschwören (bereits Aristoteles nahm daran Anstoß, dass die im Alter Fortgeschritteneren den nachfolgenden Generationen und hier insbesondere den halbwüchsig Herangewachsenen eine gewisse Neigung zu Zerfall und Niedergang überlieferter Werte, Sitten und Gewohnheiten nachzusagen pflegte), sei flankierend daran erinnert, dass das, was den heutigen XYZ-Generationen zugegebener leicht von der Hand(y) geht, den ehemals Jüngeren in den 1970ern jedoch als erstrebenswertes Gegen-Modell zur damaligen Gegenwartskultur erschien, dessen Umsetzung allerdings mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand – anfänglich etwa eine Reise ins ferne Poona (Indien) – verbunden war:

Eine solche Entspanntheit mag sich fast 50 Jahre später – spätestens angesichts der diversen aktuellen Umbrüche und Krisen – nicht (mehr) so ohne Weiteres einrichten lassen bzw. dürfte teil- und phasenweise gar einer Ver- oder zumindest Gespanntheit gewichen sein – allerdings (und wie zum Troste) bietet die Kultur des 21. Jahrhunderts mittlerweile auch andere Möglichkeiten, die notwendigen Mittel für eine zeitgemäße Entspannung bereit zu stellen.

Womit wir wieder bei der Allgegenwart ‚wirtschaftlicher Kontexte‘ und deren letztendlicher Unvermeidlichkeit angelangt wären.

Aber damit eröffnen sich ja auch – wie stets – neue Perspektiven. (Zumal eine solche Haltung wie diese – auch in der Krise – in vielerlei Hinsicht dem Geist des Rheinischen lt. [‚Kölschem] Grundgesetz‘ unter besonderer Berücksichtigung v.a. von § 4 und § 6 entspricht:)

Man beachte ebenfalls die auch hier ausgewiesene Nähe von situativer Entspanntheit und Bier(bzw. ‚Kölsch‘)-Konsum.

Und wer weiß, ob sich im Zuge kommender Metamorphosen – wie von alters her: unvermeidlich – aus einer solchen Fokussierung bzw. Begrenzung auf interessen- und befindlichkeits-geleiteten Aktualismen in den nächsten Zeiten nicht zukunftsweisende Fertigkeiten und (neue&andere) Kompetenzen entwickeln, die dann sehr wohl in der Lage sein werden, als gegenwärtig aus bestimmter Sicht eher als behindernd eingeschätzte Umgangs-Formen zu überwinden.

Und apropos ‚Wer weiß!?‘: https://www.youtube.com/watch?v=X-zRS-3v9zw

(Ein ‚Stück‘ allerdings, das sich u.a. ob seiner Länge ebenfalls ein wenig gegen den bestimmenden Zeitgeist stellen mag, für das es sich jedoch als lohnend erweisen könnte, selbigen entgegen ersten spontanen Reaktions-Verspürungen auch einmal beiseite zu lassen … [anstatt den Hendrix-Song gleich wieder wegzuklicken].)

PS 1: Fehlt noch die Alternative (zu einer kolonialistisch-imperialistischen Aufteilung von Welt und Wirklichkeit), die man sich wie folgt vorstellen kann:

Bezogen auf die Gepflogenheiten und ‚Spielräume‘ der ‚heutigen Jugend‘ wäre allerdings – die obig vorgestellte ‚Wisch&Weg‘-Mentalität (heutzutage ja gerne ‚Tinder[n]‘ zugeschrieben) ergänzend – dann doch noch anzumerken, dass die Schwierigkeiten, die Frage nach einer Alternative in Erinnerung an das anfangs aufgeführte Thema der Sitzung sowie die Perspektivität eines psychosomatischen Blicks auf ‚Krankheiten‘ sämtlicher Art, dem entsprechend beantworten zu können, auch damit in einem engen Zusammenhang stehen, dass es den jüngeren Generationen eher schwer fällt, überhaupt in übergreifenden Zusammenhängen zu ‚denken‘ und dabei ein gewisses Maß an Strukturierung und Schlussfolgerungen in Einbezug von Geschichtlichkeiten und thematischer Kontextualität walten zu lassen.

Denn konfrontiert man Studierende mit Aufgaben, Anliegen und Fragen wie der in dieser Sitzung gestellten, ist man lehrenderseits damit konfrontiert, dass die folgenden Antworten oder Vorschläge in erster Linie auf dem basieren, was den Studierenden ‚gerade so durch den Kopf geht‘ bzw. aktuell einfällt. (Beides gerne auch in Kombination mit dem Eingehen auf Feinheiten oder Nebensächlichkeiten, was darauf hinweist, dass ein Vorgehen vom Allgemeinen zum Speziellen oder ein vorangestellter Hinweis, worum es eigentlich geht oder gehen soll, um dies dann weiter auszudifferenzieren, in Schule und bisherigem Alltag keine allzu große Bedeutung zuerkannt wurde.)

Auch andere Ordnungen, (Durch-)Gliederungen und Folgerungen, etwa die Darstellung einer Thematik oder eines ‚Sachverhalts‘ gemäß einer ihm eigenen (sach-immanenten) ‚Logik‘ betreffend, sind oftmals eher assoziativ-dissoziativ geprägt und schwächeln – freilich je nach Anspruch – gegenüber Inhärenz und kontextuellen Bezogenheiten und konstruktive Verweise. Folgerichtige und in sich stimmige Her- oder Ableitungen fallen schwer, da man das, was man zu sagen hat, vornehmlich aus aktuellen Einfällen und Überlegungen des Augenblicks (bzw. gemäß einer gesteigert voll-esoterischen Variante ‚stets im Moment zu sein‘) heraus schöpft.

Bittet man Studierende etwa, wichtige Aspekte bzw. ‚Essentials‘ des zuvor im Seminar Behandelten oder als Vorbereitung auf eine Sitzung zu Lesendes noch oder schon einmal mit eigenen Worten zusammenzufassen bzw. zu markieren, ergeben sich oftmals denkwürdige Differenzen zu dem, was am selbst als Lehrender als jeweils bedeutsam erachtet. Statt dessen werden nicht selten Randständigkeiten, Details oder eigene Überlegungen angeführt, die zwar auch ‚irgendwie‘ mit der jeweiligen Thematik zu tun haben, in erster Linie jedoch von dem her bestimmt sind, was man selber aktuell-situativ als bedeutsam, interessant oder relevant erachtet. Oder eben, was eine gerade (dazu) ‚durch den Kopf geht‘.

Denn man verharrt bevorzugt bei dem, was einen an Dargebotenem – aus welchen Gründen jeweils auch immer – situativ ‚anspricht‘ (oder ‚anspringt‘), wobei dies überhaupt in Sekunden-Bruchteilen überhaupt für sich feststellen zu können, eine hochentwickelte Kompetenz voraussetzt. – Ist dies jedoch nicht der Fall, wird das Angebotene zügigst weggewischt – beides somit zeitgenössische Umgangsformen mit Zu-Fälligen, die an elementarste Grundprozesse alles Lebendigen erinnern, die Erwin Straus als „Locken“ und „Schrecken“ benennt und in seinem „Beitrag zur Grundlegung der Psychologie“ ausführlicher beschreibt oder die S. Freud in vergleichbarer Einschätzung mit „Eros“ und „Thanatos“ bezeichnet. Oder – ein wenig weniger existenziell – wie Wilfried Schmickler in den WDR-„Mitternachtsspitzen“ in den Dialog-Sketchen mit Jürgen Becker oder Uwe Lyko regelmäßig anzumerken pflegte: „Für mich persönlich ist das uninteressant!“

https://www.youtube.com/watch?v=4T8HgZcrs4g

https://www.youtube.com/watch?v=6iLh_jfejuA

Schwer fällt es demgegenüber bzw. dem entsprechend, Rückschlüsse der Folgerungen zu ziehen, gerade Besprochenes in übergreifendere Kontexte einzubetten oder Querverbindungen herzustellen. Anstelle von Systematik und Zusammenhängen in herkömmlichen Sinne  scheint es – um an Stellen wie diesen nicht in gleichermaßen traditionellen Klagereien zu versinken –, dass auch dererlei Züge und Notwendigkeiten einer seelischen Formenbildung ‚naturgemäß‘ in einen Wandel geraten sind, und es bleibt abzuwarten, was sich aus solchen Um-Bildungen heraus ergeben und entwickeln kann&wird.

Was allerdings etwa für Unterricht und Lehre nicht bedeuten muss, solchen Veränderungen mit Blick auf behebenswerte Defizite völlig teilnahms- und tatenlos zuzusehen.  Denn im Vertrauen auf das Walten von Polaritäten und dem ‚freien Spiel‘ von Gegenläufigkeiten mögen auch Grenzen gesetzt sein.

Denn angesichts von nach wie vor üppigst blühender Vielfalt und Vieldeutigkeiten – ganz&gar den Zeitgeist (bzw. der Ideologie) von Pluralität, Multioptionalitäten und sonstige Multismen verpflichtet – sind (zumal in wehmütiger Sehnsucht nach den ‚guten, alten‘ Zeiten) zwar nach wie vor Trumpf, und Formzwänge und Vereinheitlichungs-Erfordernisse drohen bis auf Weiteres, sich in erster Linie als Folge von Verkehrungen (d.h. als unliebsame, wenn auch konsequente Widerfahrnisse [s. ‚Krisenerfahrung‘ und ‚Leidensdruck‘] ) zu ereignen.

‚Es einfach laufen lassen‘ ist also – es sei denn, man proklamiert fahrlässiger- und infamerweise zwecks einfältiger Bewahrung von ‚Wählergunst‘ jedwede Regulierung im Namen von ‚Freiheit‘ mit Bevormundung – auch kein Patent-Rezept, ist man seit geraumer Zeit doch mit einem ‚Zuviel‘ konfrontiert, das sich jedoch mehr&mehr als ein (bedrohliches) Zuwenig erweisen kann. Denn, aber & und – um es in Abwandlung eines Songs von Ina Deter zu sagen: („Ich sprüh‘s auf jede Wand“) ‚Neue Bilder braucht das Land‘ (https://www.youtube.com/watch?v=I8AzoP7z_Kc).

Denn konfrontiert man Studierende mit Aufgaben, Anliegen und Fragen wie der in dieser Sitzung gestellten, ist man lehrenderseits damit konfrontiert, dass die folgenden Antworten oder Vorschläge in erster Linie auf dem basieren, was den Studierenden ‚gerade so durch den Kopf geht‘ bzw. aktuell einfällt. (Beides gerne auch in Kombination mit dem Eingehen auf Feinheiten oder Nebensächlichkeiten, was darauf hinweist, dass ein Vorgehen vom Allgemeinen zum Speziellen oder ein vorangestellter Hinweis, worum es eigentlich geht oder gehen soll, um dies dann weiter auszudifferenzieren, in Schule und bisherigem Alltag keine allzu große Bedeutung zuerkannt wurde.

Auch andere Ordnungen, (Durch-)Gliederungen und Folgerungen, etwa die Darstellung einer Thematik oder eines ‚Sachverhalts‘ gemäß einer ihm eigenen (sach-immanenten) ‚Logik‘ betreffend, sind oftmals eher assoziativ-dissoziativ geprägt und schwächeln – freilich je nach Anspruch – gegenüber Inhärenz und kontextuellen Bezogenheiten und konstruktive Verweise. Folgerichtige und in sich stimmige Her- oder Ableitungen fallen schwer, da man das, was man zu sagen hat, vornehmlich aus aktuellen Einfällen und Überlegungen des Augenblicks (bzw. gemäß einer gesteigert voll-esoterischen Variante ‚stets im Moment zu sein‘) heraus schöpft.

Vielfalt und Vieldeutigkeiten – ganz&gar den Zeitgeist (bzw. der Ideologie) von Pluralität, Multioptionalitäten und sonstige Multismen verpflichtet – sind (zumal in Sehnsucht nach den ‚alten‘ Zeiten) nach wie vor Trumpf, und Formzwänge und Vereinheitlichungs-Erfordernisse drohen bis auf Weiteres sich in erster Linie als Folge von Verkehrungen (d.h. als unliebsame, wenn auch konsequente Widerfahrnisse) zu ereignen. Ein Zuviel, das sich aber mehr&mehr als ein (bedrohliches) Zuwenig erweisen kann. Denn, aber & und – um es in Abwandlung eines Songs von Ina Deter zu sagen: („Ich sprüh‘s auf jede Wand“) ‚Neue Bilder braucht das Land‘ (https://www.youtube.com/watch?v=I8AzoP7z_Kc).

(Beiseit: Zu diesen Denkweisen und Umgangs[bzw. Kultivierungs-]formen passt übrigens auch die im ‚Unterricht‘ gerne gestellte Frage, ob das, was gerade Thema ist, denn auch ‚prüfungsrelevant‘ sei, denn  – so diese Frage bejaht wird – dann weiß man, dass es diesen ‚Stoff‘ [im Regelfall auswendig] zu lernen ist, und man weiß, woran man ist, worauf es ankommt und vor allem: Wie es darzustellen bzw. wiederzugeben ist.)

Aber auch in diesen Hinsichten gilt diesseits von vorschnell-simplen Schuld-Zuweisungen (die meist auf Anders&Andere gerichtet sind und dabei außer Acht lassen, dass eine Psychologie, die in [a-personalen] Kulturen und Kultivierungs-Formen ‚denkt‘ uns notwendig allesamt mit einbeziehen muss) der zutiefst weise Aphorismus von Michel de Montaigne: „Es ist, wie es ist …

… aber es kann auch anders sein.“

Und so man ‚kann‘ durch ‚könnte‘, ja ‚müsste‘ ersetzt, sind wir alle gefordert, ein solches ‚Anders-Werden‘ zu bewerkstelligen.

‚Die‘ Morphologie – als eine Psychologie, die sehr wohl in der Lage ist, solche Entwicklungen und Veränderungen zu beschreiben, zu analysieren, anzuregen und zu begleiten – ist seit mehr als 60 Jahren ‚am Start‘, denn …

PS 2: Ein Einwand


DDR-Grenzsoldaten schauen am 11. November 1989 durch ein Loch, das Jugendliche in die Berliner Mauer gestemmt haben. (Bild: Keystone) – S. dazu auch die beiden Beiträge von Werner Seifert „Konsequenzen der deutschen Widervereinigung für die Psychologie“ (in: Zwischenschritte 1/1994) und „Vereinigung und Vergangenheitsbewältigung“ (2/94).

… und so- wie damit schließt sich schließlich (auch hier) ein bzw. der Kreis (s.o.):

Neulich im Unterricht (II): Zu Beginn einer digital unter MS-Teams stattfindenden Sitzung (in einem anderen Modul am Ende des Studiums im 6. Semester) hatte ich auf die jüngst ergangene Anfrage eines der ‚geschäftsführenden Gesellschafters‘ eines der großen wie renommierten morphologischen Institute für Wirkungsforschungen aller Art mit angeschlossener Unternehmensberatung hinwiesen:

Für eine anstehende großangelegte Studie zur Presse- & Medienakzeptanz in Ost- & Westdeutschland suche man freie Mitarbeiter für die Durchführung von Morphologischen Tiefeninterviews sowie deren weiterführenden Analysen. Voraussetzungen (resp. gesucht): Tragfähige und belastbare Kompetenzen in Durchführung und Auswertung Morphologischer Interviews und – in diesem Fall ganz wichtig – geboren und aufgewachsen in Ostdeutschland. (Letzteres mag verwundern, ist aber für die ‚Lage‘ der Gegenwartskultur in Deutschlang bezeichnend, da man bei der Durchführung von anderen Studien in Ostdeutschland zunehmend die Erfahrung machen musste, das ‚West-Interviewer:innen‘ bei Interviews im Osten auf z.T. heftige Vorbehalte, Ressentiments und Ablehnung gestoßen waren (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/neue-ost-debatte-wider-den-ddr-hass-kolumne-a-0989947b-fecb-4771-80d2-cb8603a4c60b). Dem wollte man nun vorbeugen und den Erkenntnisgewinn der Studie in dieser Hinsicht gewährleisten.)

Soweit die Anfrage.

Und man sollte nun meinen, im Besonderen für morphologisch orientierte Studierende ein überaus attraktives Ansinnen bzw. Angebot …

Aber es ist, wie es war: Im Rahmen einer ersten Sichtung zu Beginn der Sitzung meldeten sich auch drei Studierende ostdeutscher Provenienz per gelbem Handzeichen und ich bat diese Drei nun, nach Ende der Modul-Sitzung noch ein wenig länger zugelinkt zu verweilen, um Näheres und Weiteres dort&dann mit eben denjenigen zu besprechen, die für die Mitwirkung an diesem Projekt in Frage kämen.

Lange Schreibe … Am Ende der Sitzung verabschiedeten sich die Teilnehmer:innen des Moduls – wie überwiegend üblich – in gewohnt stiller Weise durch ‚Verlassen der Besprechung‘ bis schließlich nur noch ich von allen anderen verlassen und darob reichlich verwundert zurückblieb.

Erschwerend für meine spontan sich einstellende Befindlichkeit kam hinzu, dass diese Abgänge (völlig) kommentarlos und somit entgegen meiner anfänglich geäußerten Bitte von statten gingen – ein Verhalten, das man einstmals doch eher als zumindest unbedacht, unhöflich bis brüsk hätte bezeichnen können. Zwar war mir ebenfalls recht schnell bewusst, dass einer solcher – unangekündigt wie kommentarloser – Abgang wohl nicht ‚böse‘ oder gar auf mich gemünzt verletzend ‚gemeint‘ war, eine spontan sich einstellende Irritation mit aufkommender Tendenz zur Verärgerung blieb mir jedoch ebenfalls nicht erspart.

Allerdings gilt wohl auch hier & nach wie vor: πάντα ῥεῖ …

©Maryna Patzen

 … oder aber auch: ‚Still ruht der See“.

Nun muss man allerdings auch in diesem Fall davon ausgehen, dass selbst ein Phänomen wie diese(s) nicht einfach, vielmehr ‚überdeterminiert‘ ist, und auf der Suche nach den (Hinter-)Gründen für die bei dieser Gelegenheit zu machenden Erfahrung meinerseits kann man etwa mutmaßen

  • dass die angesprochenen Studierenden zum Ende ihres Studiums mit der Abfassung ihrer Bachelor-Thesis befasst und damit vollends ausgelastet sind;
  • dass man heutzutage ohnehin und sowieso mit einer kaum handhabbaren Vielfalt an Angeboten konfrontiert ist, so dass ein woran und wonach auch immer ausgerichtetes Filtern dieser Fluten mehr als geboten ist;
  • dass zu der vorgerückten Stunde, zu der der Studientag ein Ende fand (20.30 Uhr) andere Verrichtungen anstanden, um die es sich diesseits fortgesetzter studiengangs-bedingter In-Anspruch-Nahmen zu kümmern galt (‚Die Katze hat Hunger und sitzt schon auf der Tastatur‘);
  • dass der Paketbote mit der letzten Anlieferung des Tages mittels stürmischem Klingeln noch sein Geschäft verrichten will;
  • dass ein anderer Mensch – erwartet oder unerwartet – Einlass begehrt;
  • dass man auch noch andere Termine an diesem anbrechenden ‚Feierabend‘ hat und ohnehin schon spät dran ist;
  • dass man von Beginn der Sitzung an zwar zugeschaltet, aber die Zeit des Moduls über nicht am Computer verbracht hat – eine Form der anwesenden Abwesenheit, die durch die im Unterschied zu den ansonsten kultivierten ‚Zeige-Gelüsten‘ auf Facebook, Instagram, Tik-Tok & Co. im Rahmen der digitalen Lehre gepflegten Zurückhaltung das Einschalten der Kamera betreffend verborgen bleiben kann … usw., usf. …

Die zeitgenössische Blüte von&an Pluralismen zeigt sich also auch in einem Fall wie diesem in (dar-)gebotener Vielfältigkeit.

Eine weitere Determinante für den Abgang in aller Stille – auch sonst bei solchen Veranstaltungen durchaus weit verbreitet – soll allerdings hier nicht unerwähnt bleiben, dass nämlich ein(e) jede(r) bei vielem, was man (überhaupt) den Tag über tut (oder lässt), in erster Linie bis ausschließlich vor allem bis nur das eigene Tun im Blick hat und sich über das Tun&Lassen jeweils anderer kaum ‚Gedanken‘ macht. Oder es überhaupt beachtet bzw. ‚zur Kenntnis nimmt‘.

D.h. in diesem Fall: So man für sich im Laufe der Sitzung – wann und wieso auch immer – zu dem Schluss gekommen war, auf das Mitwirkungs-Angebot nicht eingehen zu wollen, erscheint auch eine weitere Auseinandersetzung (trotz meiner anfänglich geäußerten Bitte) spontan-aktuell festgestellter Befindlichkeit folgend nicht weiter erforderlich. Und da man dies – dem für die Gegenwartskultur prägenden ‚partialtiebhaft-solipsistischer‘ Muster folgend – v.a.&nur bei sich feststellt und da die jeweilige eigene Befindlichkeit in ihrem ‚Locken‘ und ‚Schrecken‘ zumindest ein gewisses Maß an Orientierung bieten kann, hat man ‚summa summarum‘ kaum im Blick, wie ‚die‘ Anderen sich bei der jeweiligen Gelegenheit verhalten. Ergo verabschiedet man sich selbst ‚in aller Stille‘, unbedacht, dass die anderen eben dies auch tun.

Das altbekannte Lebensmotto ‚nach mir die Sintflut‘ wird somit erweitert zu ‚neben mir möge passieren, was immer auch dort stattfinden mag‘ (zumindest immer dann, wenn es mich nicht betrifft oder interessiert).

Und ob man mit diesem, seinem Tun evtl. nicht alleine ist, da die anderen jede(r) für sich ebenso verfahren, bleiben die Folgen für einen einzelnes Erleben und Verhalten umfassenden Zusammenhang zwar unbeachtet, aber dennoch sich ereignend.

In Abwandlung eines Romans von Hans Fallada, in dem dieser das Schicksal eines Ehepaars während der 30er Jahre in Deutschland schildert, deren Widerstand gegen das Regime schließlich in der Maschinerie des brutalen Nazi-Totalitarismus zermalmt wird, sei bei dieser Gelegenheit noch darauf verwiesen, dass in Fortsetzung von ‚Ich-AG‘ und zunehmender Partikularisierung und Individualisierung – Letzteres bis an die Grenzen von ‚Einzigartigkeit‘ (für jede[n]) – ein(e) jede(r) bereits zu Lebzeiten zumindest in gewissen Hinsichten (und trotz bzw. gerade wegen einer strikten Eingebundenheit in ‚soziale‘ Netzwerke und -welten) seinen oder ihren Alltag über weite Strecken in genügsamer Eintracht auf sich fokussiert verbringt. Ohne wie bei Anlässen wie dem hier vorgestellten auch mal ‚über den Tellerrand‘ bzw. die persönliche ‚Blase‘ hinweg auf das zu achten, was dortselbst bzw. in seiner/ihrer jeweiligen ‚Um-Welt‘ geschieht.

Und im Einklang mit solcherart Kultivierungsformen nimmt es wenig Wunder, dass Robert Gernhardt schon vor Jahren ein Gedicht verfassen konnte, in dem ein Gebet – einstmals vertrauensvoll an eine höhere Instanz gerichtet – nunmehr zwar weiterhin an ‚Gott‘ adressiert ist, in seinen Anliegen jedoch die Verhältnisse umkehrt, um fortan eine gebührliche Lobpreisung seiner selbst anzumahnen. Denn wie gesagt: Die Zeiten wandeln sich eben …

Aber da dieses Gebet zu seiner Zeit in all seiner Gelungenheit doch recht knapp ausgefallen ist, sei in Bezug auf die Kultur der Gegenwart meinerseits eine Ergänzung gestattet (– dies in der Annahme, dass Robert Gernhardt darob nicht allzu erbost wäre):

 

So, so oder so bzw. soso: Es ‚ist‘ trotz alledem und fürderhin nun mal ‚so, wie es ist‘ – und so man dieses Phänomen wie andere bemerkenswerte Umstände und typische Vorkommnisse der Gegenwartskultur wie etwa

  • wuchernde Bürokratismen
  • in Tateinheit mit durchorganisierter Verantwortungs-
  • und konsequenter Konsequenzenlosigkeit,
  • (eigen)interessen-fixierte Beharrlichkeiten,
  • verkehrt-gehaltene Risikobereitschaft,
  • verkümmerte Kreativität
  • oder (7.) prä-komatöse Gleich(-)gültigkeit

mit gewagt kultur-geschichtlichem Blick mit den sieben oder gar zehn (klassischen) Plagen in einen aufschlussreichen Zusammenhang rücken (ver-) mag, mit denen übergeordnete Instanzen zu ihrer Zeit eine Veränderung bewirken konnten …

… so können gegenwärtig seitens der Morphologischen Psychologie die strukturell erforderlichen Voraussetzungen für eine wirk-liche und wirk-same Umsetzung von anstehenden wie not-wendigen Veränderungen (jenseits von vollmundigen Verbal-Verpuffungen wie „Zeitenwende“ oder vergleichbare Herbeiredungen) in

  • Krisen-Erfahrungen,
  • Leidens-Druck
  • und einem Kreiseln im ‚kleinen Kreis der Verwandlung‘ (Verkehrt-Halten)

gesehen und verortet werden. Allesamt also Bedingungen, die gleichermaßen ein zuversichtliches ‚…, aber es könnte&kann auch anders sein‘ am Horizont erscheinen lassen (könn[t]en).

In diesem Sinne …

Und als finaler Ausklang damit nun dann doch zum Ende (dieser ‚Kolumne‘) hin …

… und in diesem Sinne hier zum Eingedenk an den Tag der Einstellung dieser ‚Kolumne‘ ins Netz (‚1. Mai‘) & zum Abschluss noch ein weiterer Beitrag zur musikalischen Spät-Erziehung:

https://www.youtube.com/watch?v=LqB2UXmMZHs

https://www.youtube.com/watch?v=0QTQdAKUZmA

PS: https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/kultur/ki-und-krieg-palantir-ukraine-e666421/

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